«Homöopathen ohne Grenzen»: Nützt es nicht, schadet es auch nicht?

Marko KovicBlog, Skeptiker-Blog5 Comments

Man stelle sich vor, es gäbe eine Organisation, welche seit vielen Jahren erfolgreich Menschen hilft, denen ansonsten niemand hilft. Und man stelle sich weiter vor, es gäbe eine zweite Organisation, welche einen ähnlichen Namen annimmt wie die erste Organisation, und auch vorgibt, ähnliche Arbeit zu leisten wie die erste Organisation. In Tat und Wahrheit geht es der zweiten Organisation aber darum, zu missionieren, und nicht, Menschen zu helfen, denen ansonsten niemand hilft.

Das klingt absurd; so etwas wird es sicherlich nicht geben?

«Médecins Sans Frontières», zu Deutsch «Ärzte ohne Grenzen», ist eine seit 1971 tätige Organisation, welche in Krisengebieten medizinische Nothilfe leistet.

«Homöopathen ohne Grenzen» ist eine seit 1997 tätige Organisation, welche so tut, als ob sie in Krisengebieten medizinische Nothilfe leistet.

Ein Preis für Homöopathen ohne Grenzen: Das Goldene Brett 2013

Homöopathen ohne Grenzen hat am 29. November dieses Jahres, wie die GWUP hier und hier berichtet, den Preis «Das Goldene Brett» gewonnen.

Das Goldene Brett ist ein Negativpreis, mit welchem Personen und Organisationen ausgezeichnet werden, welche besonders unwissenschaftliche Ideen, Lehren oder Produkte verbreiten. Die Laudatio mit der Begründung, warum Homöopathen ohne Grenzen ein würdiger Preisträger ist, ist als Video festgehalten:

Homöopathen ohne Grenzen hat auf die Verleihung des Goldenen Brettes in einer kurzen Antwort auf ihrer Webseite reagiert:

HoG Reaktion Goldenes Brett 2013

Auf die Kritik wird überhaupt nicht eingagangen. Insbesondere eine Bemerkung fällt auf:

Oder gibt es noch ganz andere Gründe für diese Leidenschaft, so emotional gegen die Homöopathie zu wettern? In der Regel befasst man sich doch nicht so intensiv mit Dingen, die man für unwirksam hält, oder? Verehrte Skeptiker, bitte klären Sie uns auf!

Aus der Verleihung des Goldenen Brettes wird recht eigentlich sehr klar, worum es geht. Homöopathie hat keine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung, und der Einsatz von Homöopathie in Staaten und Regionen ohne ausgebautes Netz an richtiger, wissenschaftlicher Medizin kann gefährlich, wenn nicht gar verheerend sein.

Wie genau definiert Homöopathen ohne Grenzen aber die eigene Rolle? Ein Blick in die Satzung und die Ethikrichtlinien ist angebracht.

Ethikrichtlinien: «Heilungsversprechen sind in jeder Form unzulässig»

In der Satzung beschreibt Homöopathen ohne Grenzen die üblichen administrativen Dinge wie den Aufbau des Vereines, die Finanzierung und dergleichen. Aber auch auf Inhalte wird eingagangen, und zwar die Ziele und Zwecke:

HoG Ziele und Zwecke

Es geht zunächst um Homöopathie, dann um Hilfe. Der Vollständigkeit halber noch ein genauerer Blick auf die Arten, wie in Richtung der vier Zwecke hingearbeitet werden soll:

HoG Ziele und Zwecke 1

HoG Ziele und Zwecke 2

HoG Ziele und Zwecke 3

HoG Ziele und Zwecke 4

Bis auf Punkte 2.2.4.1 und 2.2.4.2 haben alle Aktivitäten von Homöopathen ohne Grenzen zum Ziel, Homöopathie zu verbreiten. Es mag zunächst nur wenig nicht verwundern, dass Homöopathen ohne Grenzen Homöopathie verbreiten will, aber im Kontext einer angeblichen humanitären Organisation ist das ein Problem. Eine humanitäre Organisation hat zum Ziel, Menschen zu helfen, und wählt Werkzeuge, mit denen das zu bewerkstelligen ist. Homöopathen ohne Grenzen hat offenbar nicht zum Ziel, Menschen zu helfen, sondern, Homöopathie zu verbreiten.

Diese für eine angeblich humanitäre Organisation höchst problematische Haltung wird mit den Ethikrichtlinien nicht weniger wirr. So beruft sich der erste Artikel der Ethikrichtlinien auf das Organon der Heilkunst, das Dokument, in welchem Samuel Hahnemann die Homöopathie erfunden hat.

HoG Ethikrichtlinien Artikel 1

Es ist vor Allem Artikel 2 der Ethikrichtlinien, der gewaltige Fragezeichen aufwirft (Der Lesbarkeit halber sind die Passagen, welche über zwei Seiten verteilt sind, zu einem Bild zusammengefügt; die durchgestrichene Linie zeigt, wo der Seitenumbruch ist.):

HoG Ethikrichtlinien Artikel 2

Punkte 1 bis 9 sind unspektakulär, aber Punkt 10 tanzt komplett aus der Reihe: «Heilungsversrpechen sind in jeder Form unzulässig.».

Was soll das denn bedeuten? Homöopathen ohne Grenzen wird doch nicht die halbe Welt bereisen, um den Leuten zu erzählen, dass Homöopathie nicht heilt? Oder geht es nur um eine juristische Finesse, damit niemand auf die Idee kommt, Kritik zu üben, wenn der in Aussicht gestellte Heilungserfolg nicht eintritt?

Aber überhaupt: Wie heisst nochmal die Bibel der Homöopathie?

Organon

Organon der Heilkunst. Es ist aber nicht einmal nötig, zum Organon zu greifen, weil Homöopathen ohne Grenzen in Artikel 1 der Ethikrichtlinien ganz explizit Hahnemann mit der Aussage zitieren, es gehe darum, zu heilen:

Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt.

Und:

Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen.

Selbstverständlich werden in der Homöopathie Heilungsversprechen abgegeben – das Organon der Heilkunst von Samuel Hahnemann, auf das sich Homöopathen ohne Grenzen explizit beruft, ist nichts anderes als eine Anleitung zum Heilen.

Fazit: Es nützt nicht, und es schadet.

Wer bis hierhin gelesen hat, meint vielleicht, das sei jetzt alles eine arg kritische Interpretation der Arbeit von Homöopathen ohne Grenzen, und in der Praxis laufe alles ganz harmlos und nicht allzu haarsträubend ab.

Auf der Webseite von Homöopathen ohne Grenzen ist nicht im Detail dokumentiert, was in den Projekten genau wie vermittelt und gemacht wird. Einen Anhaltspunkt liefert der von Homöpathen ohne Grenzen erstellte Film zu ihrem Projekt in Lamu, Kenia:

HoG Lamu

Von 00:05:30 bis 00:06:06 findet eine bedenkliche Szene statt. Die schwarz gekleidete Hebamme erzählt, wo sie Homöopathie einsetzt. Die Fraun links im Bild sorgt für die Übersetzung:

Viele Blut nach dem Geboren…

Sie ergänzt nach ein paar Sekunden

Viele Blut… ähm…

Die Frau von Homöopathen ohne Grenzen fragt:

Die starken; sie hat starke Nachwehen?

Die Übersetzerin verneint:

Mmm… monthly period.

Worauf die Frau von Homöopathen ohne Grenzen erwidert:

Ah! Starke Schmerzen bei der Regel.

Die Übersetzerin nickt und wiederholt ein drittes Mal (mit entsprechender Handbewegung):

Viele Blut.

Was in diesen wenigen Sekunden Video vor sich geht, ist erschreckend. Offenbar berichtet jemand, dass eine Frau viel Blut verliert, entweder während oder unmittelbar nach der Geburt oder bei den monatlichen Menstruationsblutungen. Die Person von Homöopathen ohne Grenzen vor Ort deutet diesen expliziten Verweis auf starken Blutverlust als «starke Schmerzen».

Eine Frau leidet an abnormalen vaginalen Blutungen, und dank Homöopathen ohne Grenzen werden ihr von einer Hebamme als Behandlung Zuckerkügelchen verabreicht.

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5 Comments on “«Homöopathen ohne Grenzen»: Nützt es nicht, schadet es auch nicht?”

  1. Da könnte man echt nur böse drauf reagieren, deshalb spar ich mir das. Bleibt zu hoffen, dass die HOGwarts-Damen evtl. doch mal aufwachen und nicht zu viel Leid anrichten.

  2. Pingback: Schwachfug aus der Apotheke @ gwup | die skeptiker

  3. Vollkommen korrekt. Ich habe auch schon öfter festgestellt, daß ich das Verhalten der HOGs als absolut unethisch empfinde.
    Beim Lesen erinnerte ich mich gerade wieder daran, wie ich mich geärgert hatte, als nach dem Beben in Haiti dort HOGs und Evangelikale mit Bibeln eingeflogen sind. Ich versetzte mich immer die Lage der Menschen bei so einer Katastrophe. Hunger, Durst, Verletzungen, Trauer, Krankheiten und dann offeriert mir der eine Zuckerkügelchen und der andere eine Bibel. Ich hoffe nur, ich bin in einer solchen Situation bereits hinreichend geschwächt für weitergehende Aktionen an den Beiden …

  4. „There’s a sucker born every minute“ möchte man dazu sagen, wenn es nicht so traurig wäre für die Betroffenenen. Hier im Westen hält sich mein Mitleid mit Homöopathie-Gläubigen in Grenzen, denn wir besitzen di e Möglichkeit, uns zu informieren, wenn wir nur wollen !In der dritten Welt aber sind die Menschen diesen Scharlatanen ausgeliefert und das ist m.E. kriminell !Haben sich eigentlich die Ärzte ohne Grenzen dazu geäussert , wie die Fast-Usurpation ihres Namens missbraucht wird, um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen ?

  5. Pingback: Online-Petition gegen den Gemeinnützigkeitsstatus der Homöopathen ohne Grenzen @ gwup | die skeptiker

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