Skeptische Randnotiz: Licht-Akupunktur als «Initiative, die die Welt verbessert»?

Marko KovicBlogLeave a Comment

Der Tages-Anzeiger beteiligt sich an der Aktion «Impact Journalism Day», einer Aktion, bei der Zeitungen über Themen berichten, welche Nachdenken und Wandel bewirken sollen1. Der Tages-Anzeiger selber beschreibt den «Impact Journalism Day» als «Journalismus, der wirkt»2:

40 Zeitungen weltweit spannen zusammen, um Initiativen vorzustellen, die die Welt verbessern.

Es geht also darum, «Initiativen» vorzustellen, die die Welt «verbessern». Man mag darüber sinnieren, ob es die Rolle von Journalismus ist, die Welt zu verbessern oder eher, darüber zu berichten, wie die Welt ist, aber grundsätzlich scheint das Anliegen des «Impact Journalism Day» wenig spektakulär. So sind die meisten vorgestellten «Initiativen» denn auch wenig brisant und haben bestimmte Eigenschaften: Neue Technologien und/oder menschliches Handeln so nutzen und ausgestalten, dass bestimmte Probleme zum Wohle aller Betroffenen gelöst werden. Das ist wenig kontrovers. Eine der vorgestellten «Initiativen» fällt aber etwas aus dem Rahmen. Mit «Chromopunktur», also mit Lichtakupunktur, soll Schmerz bekämpft werden:

Tagi Chromopunktur

Die Wirksamkeit der Chromopunktur soll in einer Studie bestätigt worden sein. Ist es gerechtfertigt, diese Heilmethode als weltverbessernd vorzustellen?

Gemäss dem Artikel ist das Prinzip von Chromopunktur ein einfaches: Die Haut wird entlang der «Energiemeridiane» und anderer «Reflexpunkte» mit farbigem Licht (d.h., mit nur bestimmten Wellenlängen aus dem Spektrum des sichtbaren Lichtes) bestrahlt, und das habe zur Folge, dass Schmerz abnimmt. Problematisch bei dieser Ausgangslage ist, dass weder das Konzept der Energiemeridiane nicht nur wissenschaftlich irrelevant ist3 4, sondern nicht Mal wirklich der traditionellen chinesischen Medizin entspringt5 6. Mit «Reflexpunkten» verhält es sich nicht viel anders7 8.

Aber gut, im Text ist die Rede von einer neuen Studie, welche die Wirkung der Chromopunktur bestätigen soll. Geleitet wurde die Studie von Dr. Fausto Pagnamenta, dem Leiter des «Istituto di cromopuntura»9. Die Wirkungsweise der Chromopunktur erklärt Dr. Pagnamenta wie folgt:

Licht ist die Sprache zwischen den Zellen. Durch die Farben erhält der Körper Informationen, die eine gewisse Verwirrung dieser Sprache korrigieren.

Auf der Webseite des Instituts für Chromopunktur ist die Studie zusammengefasst10. Zwölf Personen in einem Altersheim haben sich ein Jahr lang mit Chromopunktur behandeln lassen. Das Ergebnis:

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Nach einem Jahr wurde für alle Probanden deutlich weniger Schmerzempfinden festgestellt (Grafik 1) und, der Konsum von Schmerzmitteln hat abgenommen (Grafik 2).

Es ist schön, dass es den Betroffenen mit der Zeit besser zu gehen scheint, aber mehr sagt diese Studie nicht aus: Mit so wenig Probanden und gänzlich ohne Gruppenvergleiche (es fand weder Randomisierung oder Verblindung statt), kann keinerlei Aussage zu einer allfälligen Wirksamkeit der Chromopunktur gemacht werden.

Es ist ebenfalls schön, dass der Tages-Anzeiger die Welt verbessern möchte. Ganz so einfach geht das dann aber doch nicht – eine Spur evidenzbasierter sollte es schon sein.

Quellen

Autor

  1. http://ijd.sparknews.com/ []
  2. http://www.tagesanzeiger.ch/extern/storytelling/ijd/ []
  3. Brinkhaus, Benno et al. 2006. “Acupuncture in patients with chronic low back pain: a randomized controlled trial.” Archives of Internal Medicine 166(4): 450–457. Link []
  4. Langevin, Helene M. et al. 2010. “Paradoxes in Acupuncture Research: Strategies for Moving Forward.” Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine 2011: e180805. Link []
  5. Unschuld, Paul U. 2003. Huang Di Nei Jing Su Wen: Nature, Knowledge, Imagery in an Ancient Chinese Medical Text. Berkeley: University of California Press. []
  6. Lehmann, Hanjo. 2010. “Akupunktur im Westen: Am Anfang war ein Scharlatan.” Deutsches Ärzteblatt 107(30): 1454–1457. Link []
  7. Wang, Mei-Yeh, Pei-Shan Tsai, Pi-Hsia Lee, Wen-Yin Chang, et al. 2008. “The efficacy of reflexology: systematic review.” Journal of Advanced Nursing 62(5): 512–520. Link []
  8. Ernst, E., P. Posadzki, and M. S. Lee. 2011. “Reflexology: An update of a systematic review of randomised clinical trials.” Maturitas 68(2): 116–120. Link []
  9. http://www.the-colors.ch/ []
  10. http://www.the-colors.ch/ricerca.html []

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