Naturheilkunde an der Universität Zürich: Aus den Augen, aus dem Sinn?

Marko KovicSkeptiker-Blog2 Comments

Seitdem Süddeutsche.de Ende Oktober letzten Jahres berichtet hatte, dass Edzard Ernst aus der Berufungskommission für die Neubesetzung des Lehrstuhls für Naturheilkunde an der Universität Zürich ausgeschieden ist (vgl. auch hier und hier hier), war es um diese Angelegenheit still.

Am 1. Februar hat sich die Regionalzeitung «Der Landbote» der Geschichte wieder angenommen, und vor allem eine Erkenntnis zutage gefördert: Die Universität Zürich übt sich offenbar in einem Informationsboykott.

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Reinhard Saller, der Inhaber des Lehrstuhls seit dessen Gründung 1994, leitet ihn interimistisch weiter. Was der Stand der Neubesetzung ist, konnte der Landbote nicht in Erfahrung bringen. Das kommt nicht zufällig, ist doch Edzard Ernsts Ausscheiden aus der Berufungskommission ein heikles Politikum: Claudia Witt, eine der Kandidatinnen für den Lehrstuhl, war in der sogenannten Strukturkommission.

In den «Richtlinien über das Berufungsverfahren» der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich wird die Strukturkommission folgendermassen beschrieben:

10.1. Erstellen des Strukturberichtes (Bericht 1)

Der Bericht nimmt Stellung zu folgenden Punkten:

10.1.1. Notwendigkeit der Wiederbesetzung des Lehrstuhls

10.1.2. Ist-Zustand: Forschung, Lehre und Ressourcen (Personal, Räumlichkeiten, grosse apparative Einrichtungen, Budget (Fakultät und Uni-Beitrag bei USZ Kliniken), anderes.

10.1.3. Definition und evtl. Neubenennung des zu besetzenden Lehrstuhls

10.1.4. Soll-Zustand gemäss Definition des Lehrstuhls und zukünftiger Entwicklung des Faches

10.1.5. Vorschläge für allfällige Umstrukturierungen

10.1.6. Genaue Absprachen mit der Dekanin oder dem Dekan bzw. mit den Trägerschaften bei allfälliger Umverteilung von Stellen oder Räumlichkeiten

10.1.7. Bei Stellenplananträgen für neue etatmässige Professuren: Anzahl Studierende der letzten fünf Jahre, Anzahl Professorinnen und Professoren, Anzahl Doktorandinnen und Doktoranden / Diplomandinnen und Diplomanden

10.1.8. Erstellen eines Organigramms des Ist- und Sollzustandes

10.1.9. Erstellen des Anforderungsprofils.

Das Aufgabenprofil der Strukturkommission ist also durchaus von einiger Subsantz, und entsprechend liegt der Schluss nahe, die Kandidatur eines Mitgliedes der Strukturkommission für den durch diese Kommission entworfenen Lehrstuhl könnte unfaire Nachteile für die restlichen Kandidatinnen und Kandidaten bedeuten. Ein weiteres Detail macht die Angelegenheit nochmals unklarer:

Die Strukturkommission setzt in der Regel ihre Arbeit als Berufungskommission fort. Die Zusammensetzung kann allenfalls durch den Fakultätsvorstand durch Zu- bzw. Abwahl geändert werden.

Die Strukturkommission übt in der Regel also auch die Rolle der Berufungskommission aus (die Berufungskommission wird auf Antrag des Dekans nach dem Einreichen des Strukturberichtes eingesetzt). Claudia Witt hat nicht in der Berufungskommission weitergemacht, sondern sich für den Lehrstuhl beworben. Gemäss den Richtlinien dürfte dies wohl eher unüblich sein, aber explizit untersagt ist es in dem Dokument nicht.

An der Neubesetzung des Naturheilkunde-Lehrstuhls irritiert also einerseits die Ungewissheit ob der zukünftigen Ausrichtung des Lehrstuhls: Wird ein wissenschaftliches, evidenzbasiertes Paradigma vertreten, oder verkommt der Lehrstuhl zu einer dem politischen Zeitgeist genehmen unkritischen PR-Mühle für «Komplementärmedizin»? Andererseits ist die schiere Intransparenz des Berufungsverfahrens eigentümlich, was bedeutet, dass praktisch vollends unklar bleibt, wer bei dieser Neubesetzung an der Uni Zürich – einer öffentlichen Universität – , was wie warum macht. Ein grosses Komplinent an den Landboten für dieses Stück investigativen Journalismus.

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