Skepsis im Kleinen: Falsche Zitate – Einstein und das Sterben der Bienen

Walter HehlBlog, Skeptiker-Blog14 Comments

Skepsis ist nicht nur bei den «grossen» Lehren (oder Pseudolehren) wie Astrologie, Homöopathie oder UFO-Landungen und Weltuntergängen angebracht, sondern auch im täglichen Leben und im Kleinen, im gepflegten Smalltalk: Nahezu harmlose Beispiele liefern häufig die Zitate berühmter Leute, mit denen Artikel, Reden und Vorträge  geschmückt werden, um die Argumente des Autors zu untermauern – und dabei nie von der Person gesagt wurden, oder ganz anders gemeint waren.

Aber es sind wertvolle kleine Lehrstücke über den Umgang mit Wahrheit (und Unsicherheit) in unserer Gesellschaft und damit von uns allen – und dass wir skeptisch sein sollten.

Hier ein berühmtes Beispiel, ein drohendes Pseudozitat von Einstein:

Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keineBestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.

Aktuell erscheint dieses Zitat als dramatischer Schlusspunkt im Abspann des ansonsten wunderbaren und eindrücklichen Dokumentarfilms «Mehr als Honig» – «More than honey» des Schweizer Meisterregisseurs Markus Imhoof.

einstein_bee

Zunächst fällt auf, wie gut der Spruch in unsere Zeit passt, zum einen durch das beobachtete «echte» Bienensterben, zum anderen durch die ausgedrückte Katastrophenstimmung, die so fasziniert und zum Zeitgeist gehört (z.B. der Spruch «Wenn die Bienen stürben, lebten die Menschen sicher irgendwie weiter», wäre unattraktiv und unzitierbar).

Und die Autorität Einsteins wirkt. Dazu in einem Blog als Antwort zu einem Zweifler an der Bedrohung des Menschen durch das Bienensterben: «Wer denkst Du, dass Du bist, klüger als Einstein?».

Aber: Das Pseudo-Zitat passt nur in UNSERE Zeit, überhaupt nicht in Einsteins Lebenszeit 1879 bis 1955!  Das Bienensterben war für Einstein kein Thema, Bienen erscheinen beim echten Einstein nur als grossartige soziale Wesen, die von Instinkten getrieben sind (er schreibt dies in einem Artikel «Wozu Sozialismus»).

Mit diesem Plausibilitätscheck wird das Zitat sofort suspekt. Eine andere aufgefundene Form des Zitats ist noch verdächtiger:

Professor Einstein, the learned scientist, once calculated that if all bees disappeared off the earth, four years later all humans would also have disappeared.

«Der ausgebildete Wissenschaftler Professor Einstein berechnete einmal …» – aber Einstein war theoretischer Physiker, er hätte eine solche Rechnung nie durchführen können (wahrscheinlich kann sie niemand durchführen, auch heute nicht!).

Aber wir sind hier vermutlich dem Ursprung des Zitats nahe. Diese englische Version stammt aus einer irischen Imkerzeitschrift «The Irish Beekeeper», Jahrgang 1965/1966, die ihrerseits eine französische Zeitschrift «Abeilles et Fleurs» vom Juni 1965 zitiert. Damit ist es wahrscheinlich, dass 10 Jahre nach Einsteins Tod das Zitat schlicht erfunden wurde, um dem Phänomen des Bienensterbens und den Bienen mehr politisches Gewicht zu geben!

Erfreulicherweise ist im Falle des Bienenzitats schon viel skeptische und erfolgreiche Quellensuche erfolgt (so gibt es schon in Wikiquote eine umfangreiche Diskussion mit Quellenangaben darüber), und der Skeptiker hat es leichter, zu den (wahrscheinlichen) Wurzeln zu gehen. Aber allgemein gibt es zwischen wahrem Zitat einerseits und erfundenem oder verdrehten Zitat andrerseits eine gemeine Asymmetrie in der Problematik der Untersuchung: «Wahr» zu beweisen, ist häufig einfach und klar zu erreichen – aber es ist schwer oder gar unmöglich, einem falschen Zitat die Falschheit zu beweisen. Findet man die Quelle eines Zitats, so kann man ja das Originalwerk nachschlagen, heute im Internet, aber die Falschheit verliert sich oft im Dunkel mit zahllosen dilettantischen und unpräzisen Zitierungen des falschen Zitats, etwa beim Bienen-Zitat gefunden in einem Blog:

Wenn die Biene vier Jahre nicht fliegt, stirbt der Mensch.

– knapp und explizit falsch, da ja unsere Hauptnahrungsmittel (Weizen, Reis, Mais) als Gräser sowieso vom Wind bestäubt werden! Und eine Pseudo-Genauigkeit macht es auch nicht besser, wenn, wie es häufig geschieht, zum falschen Zitat die genauen Lebensdaten von Einstein hinzu gefügt werden, hier ganz präzis  * 14. März 1879 in Ulm; † 18. April 1955 in Princeton, New Jersey!

Bei Zweifel an der Echtheit sollte man seinen Zweifel klar kommunizieren, und sich auf die Interpretation der Aussage konzentrieren, auch ein falsch zugeschrienes Zitat könnte ja treffen.

All diese Erfahrungen lassen sich verallgemeinern:

  • Bitte einen Plausibilitäts-Check überall, auch z.B. bei der Astrologie,
  • Bei Zweifel versuchen, die richtige Quelle zu finden und das Original einzusehen und dort zu verstehen in seinem Zusammenhang,
  • Es ist viel schwieriger, etwas Falsches als falsch zu beweisen (Falsifikation), als das Richtige als richtig,
  • Artikel mit dem falschen Zitat sind oft Hunderte, ja  Tausende Mal häufiger als die Artikel mit korrekter Information und seriösen Fakten!

Die letzten Punkte gelten wohl allgemein bei vielen «grauen» Themen, etwa in der alternativen Medizin: z.B. gehen im Internet die kritischen Stimmen zu zweifelhaften Medizinen häufig unter in der Menge der kommerziellen Anzeigen und Artikel und der naiven persönlichen Berichte darüber. Es ist ein zweifelhafter Verdienst des Internets, uns (wie am Beispiel «Einstein und das Sterben der Bienen») mit einer Flut von falschen Aussagen zu zeigen, wie naiv wir Menschen sind.

Vermutlich wäre Einstein wegen der unsinnigen und unwissenschaftlichen Aussage über dieses falsche Bienen-Zitat «not amused»; deshalb dazu wieder ein passendes berühmtes Zitat von Einstein:

Es gibt nur zwei Dinge, die sind unendlich,
das Universum und die Dummheit der Menschen!

Aber natürlich, das hat Einstein auch nicht gesagt, dazu in einem folgenden Beitrag mehr.

Bildquellen:

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14 Comments on “Skepsis im Kleinen: Falsche Zitate – Einstein und das Sterben der Bienen”

  1. Pingback: Über erfundene Zitate | Dominik Lagushkin

  2. Seit 31 Jahren kenne ich dieses Zitat in der Verbindung mit dem Namen Albert Einstein und heute wird es revidiert? Entweder stimmt etwas an dem Zeitgeist nicht oder meine Vater, der ein großer Einstein-Fan ist hat, da schon vor 50 Jahren ein Zitat mit falschen Urheber unterbreitet bekommen. Von wem stammt es denn dann, wenn es schon seit über 50 Jahren immer in Verbindung mit dem Namen Einstein zitiert wird?

  3. Pingback: “A buzz in the meadow”: Vergesst den Panda – Schützt die Insekten! – Astrodicticum Simplex

  4. Ah wenn dass so ist müssen wir uns ja keine Sorgen machen und können die Bienen einfach austerben lassen!! Mensch, egal ob Skeptiker oder nicht… ob dieses Zitat nun so gesagt wurde oder nicht & ob es von Einstein gesagt wurde oder nicht spielt doch keine Rolle!! Der „moderne“ Mensch sorgt sich nur um etwas wenn man ihm mit seiner Existenz droht & ihm Angst macht. Warum muss man ein Zitat „unnichtig“ machen, wenn es im grunde genommen doch eigentlich etwas gutes bewirkt und die Menschen über Ihr Handeln und den Umgang mit der Natur etc. anfangen nachzudenken!?

  5. Es geht nicht um eine berechtigte Warnung, auch nicht um positive Zielsetzung. Es geht schlicht und einfach um die Wahrheit. Diese zu verbiegen ist auch im Sinne einer positiven Absicht nicht erlaubt. Es bedarf keiner Zitate ungewisser Herkunft um zu wissen wie wichtig die Honigbiene für Mensch und Natur ist.
    Fakt ist, dass dort wo Flora und Fauna auf eine Bestäubung durch die Honigbienen angewiesen sind, es bei ihrem Fehlen, eben keine blühenden, sondern verödete Landschaften gäbe, mit allen negativen Folgen.
    Fakt ist auch, dass in Nordamerika die Honigbienen erst durch europäische Siedler verbreitet wurden. Die indianischen Ureinwohner haben Jahrhunderte und Jahrtausende ohne die Honigbienen gelebt und überlebt.

  6. Es geht doch gar nicht um die (Honig-)Biene. Diese steht nur als Synonym für die (bestäubenden) Insekten insgesamt. Man kann auch den Aspekt der Bestäubung mit einem Verweis auf die Windbestäubung unserer Hauptnahrungsmittel abtun. Wer das glaubt, denkt auch Srom kommt aus der Steckdose und Kühe sind lila.

  7. Die ethische Frage dahinter ist allgemein: jemand möchte ein „gutes“ Ziel unterstützen. Ist es ethisch vertretbar und für das Ziel erlaubt, auch Falsches zu behaupten? Oder etwas „ein wenig Schlechtes“ zu machen, um das „viel Bessere“ zu erreichen? Nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“? Im Falle von Einstein:
    Darf man seinen Namen benützen, um einem Argument mehr Gewicht zu geben, auch wenn er nichts dazu gesagt hat? Er wird so viel missbraucht, der Arme …
    Ansonsten möchte ich einfach lieber mit der Wahrheit leben. Auch im Kleinen. Denn es ist noch viel schwieriger, sich in einem System von Unwahrheiten zurecht zu finden als mit Wahrheiten.

  8. Auch den Meinungen sogenannter Skeptiker gegenüber sollte eine gesunde Skepsis gewahrt werden. Wenn skeptisch, dann auch konsequent und in alle Richtungen 😉
    „…knapp und explizit falsch, da ja unsere Hauptnahrungsmittel (Weizen, Reis, Mais) als Gräser sowieso vom Wind bestäubt werden!“
    Finde das Argument ehrlich gesagt genauso naiv und vereinfachend wie die Gegenseite; auch das eingebaute „explizit“ konnte da jetzt nicht drüber hinwegtäuschen. 😉 Woher sie auch stammt, es geht den Befürwortern der These mit ziemlicher Sicherheit mindestens genauso um den Sauerstoff. Wir brauchen Pflanzen nicht nur zum Essen, sondern auch zum Atmen. Außerdem sind Menschen, die sich nur von den genannten „Hauptnahrumsmitteln“ ernähren, sehr mangelernährt. Meiner Meinung nach ist unsere Biosphäre zu komplex, um die Folgen eines Wegfalls der Honigbiene mal eben so einschätzen zu können… Dass der Mensch vier Jahre nach der Biene ausstirbt halte ich auch für unrealistisch, aber die Falschheit der These selbst lässt sich genauso schwer beweisen wie die ihrer angeblichen Herkunft. Mit ziemlicher Sicherheit würden andere Pflanzen nachrücken und die ökologischen Nischen ausgestorbener Arten füllen. Was nicht heißt, dass es nicht auch unsere Spezies hart treffen könnte.

  9. Schön zu sehen das es heutzutage anscheinend schon Menschen gibt, welche sich „ausschließlich“ von Gräsern ernähren. Lecker, lecker.

    Warum müssen wir Menschen alles wörtlich nehmen?!

    „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
    Albert Einstein

  10. Pingback: TSUNAMI: Fakes, Hoaxes und Co. – Wie man das Verteilen von Unfug vermeidet

  11. Danke für die Recherche! Es erschien mir als Umweltwissenschaftler schon immer unglaubwürdig, dass (der fachfremde) Einstein einen solchen Bullsh** von sich gegeben haben soll.

  12. Pingback: Schwebefliegen! – mois-Blog

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