Appell: Wissenschaft vor Politik bei Komplementärmedizin

«Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin.»

So lautet der Verfassungsartikel, welchen das Schweizer Stimmvolk im Mai 2009 mit deutlicher Mehrheit angenommen hat. Und das war begrüssenswert: Erst dadurch, dass wir uns intensiv mit komplementärmedizinischen Verfahren auseinandersetzen, können wir erkennen, was wirkt und was nicht.

Der Bundesrat hat Anfang Mai 2014 nun aber entschieden, dass die Frage, was bei Komplementärmedizin wirkt und was nicht, doch nicht so wichtig ist. Stattdessen hat der Bundesrat beschlossen, dass bestimmte komplementärmedizinische Fachrichtungen bei der Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung so behandelt werden sollen, als ob sie wirkten – obwohl der Nachweis für eine Wirksamkeit fehlt.

Dieser Entscheid ist hochproblematisch, und zwar aus mindestens zwei Gründen:

  • Zum einen wird damit der Volkswille verhöhnt. All jene, die im Mai 2009 mit Ja gestimmt haben, wollten vermutlich nicht, dass sich der Bundesrat den Interessen einiger Lobby-Gruppen beugt und ihnen Sonderbedingungen schafft. Der Umstand nämlich, dass ausgerechnet die vier betroffenen komplementärmedizinischen Fachrichtungen (Homöopathie, Anthroposophie, traditionelle chinesische Medizin, Phytotherapie) diese Sonderbehandlung erhalten, ist einzig das Ergebnis von Interessenpolitik.
  • Zum anderen wird rationale, evidenzbasierte Medizin durch diesen Entscheid untergraben. Wenn der Bundesrat anerkennt, dass für bestimmte Fachrichtungen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage fehlt, drängt sich die Frage auf: Warum überhaupt noch Wissenschaft als Kriterium für andere Fachrichtungen beibehalten? Warum nicht allen Therapiemethoden Tür und Tor öffnen? Warum überhaupt noch kontrollieren, ob Medikamente, welche von grossen Pharmaunternehmen hergestellt werden, eine nachweisbare Wirkung haben? Warum sich überhaupt noch empören, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass z.B. Tamiflu evidenzbasiert nicht hält, was es verspricht?

Rationale, evidenzbasierte Medizin bedeutet, dass laufend geforscht wird, um Schritt für Schritt besser zu verstehen, was wirkt und was nicht. Dieses wissenschaftliche Vorgehen hat uns in den letzten knapp hundert Jahren gewaltige Fortschritte gebracht: Noch nie war unsere Lebensqualität so hoch wie heute; noch nie konnten wir so zielgerichtet Krankheiten behandeln und verhindern wie heute; noch nie konnten wir so erfolgreich Menschenleben retten wie heute. Nur, wenn evidenzbasierte Medizin das Fundament bleibt, auf welchem Gesundheitspolitik stattfindet, können wir weiterhin mit solchem Fortschritt rechnen.

Wir rufen den Bundesrat deshalb an, er möge Politik nicht auf Kosten von Wissenschaft betreiben. Wissenschaftlich nachweisbare Wirksamkeit soll auch in Zukunft das oberste Kriterium bei der Beurteilung diagnostischer und therapeutischer Leistungen und Verfahren aller Fachrichtungen bleiben, egal, ob diese «komplementär» sind oder nicht.

Die Erstunterzeichnenden

Adriano Aguzzi, Prof. Dr. med., Direktor Institut für Neuropathologie, Universitässpital Zürich

Jasmin Barman, Fachbereichsleiterin FAMH Chemie, Institut für Labormedizin, Stadtspital Zürich Triemli

Erik C. Böttger, Prof. Dr. med., Direktor Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Zürich

Peter Brugger, Prof. Dr. phil., Leiter Abteilung Neuropsychologie, Universitätsspital Zürich; Wissenschaftlicher Beirat Skeptiker Schweiz

Christian Burger, Vorstand Skeptiker Schweiz

Matthias Egger, Prof. Dr. med., Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern

Fabian Frei, Vorstand Skeptiker Schweiz

Thomas Hauser, Dr. med., Immunologie-Zentrum Zürich

Stefan Hegemann, PD Dr. med., Leitender Arzt Schwindelzentrum Universitässpital Zürich, Facharzt ORL und Neurologie

Bernhard J.M.Hess, Prof. Dr. med., Neurophysiologie, Universitätsspital Zürich

Gerhard Huber, PD Dr. med., Universitätsspital Zürich

Karin Jägi, Dr. med., FMH für Psychiatrie und Psychotherapie

Etienne Kauth, Vorstand Skeptiker Schweiz

Rahel Kindler, Dr. med., Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Universitätsspital Zürich

Tugrul Kircali, Dr. med.

Marko Kovic, Präsident Skeptiker Schweiz

Andreas Kyriacou, Neuropsychologe, Präsident Freidenker-Vereinigung Schweiz

Nathalie Laissue, Vorstand Skeptiker Schweiz

Stephan Neuhauss, Prof. Dr., Institut für molekulare Biologie, Universität Zürich; Wissenschaftlicher Beirat Skeptiker Schweiz

Thomas Rosemann, Prof. Dr. med., Direktor Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich

Erich W. Russi, Prof. Dr. med., Ordinarius emeritus für Pneumologie UZH; ehem. Direktor der Klinik für Pneumologie Universitässpital Zürich

Urs Scheifele, Dipl. Physiker ETH, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universitätsspital Zürich

Adrian Schubert, Dr. sc. Nat., Geographie / Fernerkundung, Universität Zürich; Wissenschaftlicher Beirat Skeptiker Schweiz

Beda Stadler, Prof. Dr., Direktor Institut für Immunologie, Universität Bern

Denis Uffer, Vorstand Skeptiker Schweiz

Fabio Valeri, Statistiker, Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich

Gustav von Schulthess, MD, PhD, Dr. med. h.c.

Franziska Wegmann, Vorstand Skeptiker Schweiz

Philipp Wehrli, Vorstand Skeptiker Schweiz

Roland Wenger, Prof. Dr. phil. Nat., Direktor Institut für Physiologie, Universität Zürich

Brunello Wüthrich, Prof. Dr. med., Prof. em. für Dermatologie mit besonderer Berücksichtigung der Allergologie, Medizinische Fakultät, Universität Zürich; Wissenschaftlicher Beirat Skeptiker Schweiz

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15 Comments on “Appell: Wissenschaft vor Politik bei Komplementärmedizin”

  1. Guten Tag
    dies scheint mir schon sehr apodiktisch und polemisch. Bei der Komplementärmedizin handelt es sich ja um eine Ergänzung, ja eben nicht um entweder Schul- oder Komplementärmedizin! Als Komplementärtherapeutin kann ich aus meiner über 20-jährigen Erfahrung bestätigen, dass ich vielen Menschen helfen konnte mit energetischen Methoden, die eben individuell und nicht standardisiert sind. Diese Menschen fanden keine Hilfe oder Antworten bei den Ärzten die sie konsultierten.

    Und sicher wissen Sie auch das Resultat der seinerzeitigen Studie, welche BR Couchepin in Auftrag gegeben hatte: nämlich herauszufinden, welche (ausgeführte und wirksame) Heilmethode günstiger war, die alternative oder die Schulmedizinische. Sie wissen sicher, dass es dem Studienleiter, einem ausgewiesenen Wissenschafter und Ökonomen, verboten wurde, die Resultate seiner eigenen Studie zu publizieren. Sie können sich sicher ausmalen weshalb.
    Von Wissenschaftern erwarte ich dass sie ohne Vorurteil und offen sind auch für Konzepte die nicht den ihrigen entsprechen, spezielle wenn diese Erfolge zeitigen, die nicht mit den naturwissenschaftlichen Methoden messbar sind.
    Mit freundlichen Grüssen
    Katharina Gattiker, Kinesiologin (leide im Moment an einer Krankheit, die nur mit schulmedizinischen Methoden aufgehalten werden kann; alle alternativen Methoden haben versagt.)

  2. Die Leistungserbringer in der sozialen Krankenversicherung sind gehalten, bei ihren Leistungen die Kriterien Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit zu erfüllen. Das heisst, dass nur Leistungen, die der Prüfung auf diese Kriterien Stand halten, aus der sozialen Krankenversicherung zu vergüten sind. Selbstverständlich besteht im Einzelfall ein grosser Ermessensspielraum beim Kriterium Zweckmässigkeit. Hier hat die Kommunikation zwischen Health Care Provider und Patient Priorität, hier hat der Satz „voluntas aegroti suprema lex“ seinen Platz. In 44 Jahren Berufspraxis habe ich feststellen können, dass die beiden Kriterien Wirksamkeit und Zweckmässigkeit in den meisten Fällen auch dem Kriterium Wirtschaftlichkeit standhalten, wenn letztere nicht allein am Aufwand für den Einzelfall, sondern am volkswirtschaftlichen Effekt (durch Erhalt der Selbstwirksamkeit, der Erwerbsfähigkeit, der sozialen Integration des betroffenen Individuums) gemessen wird. Leider ist unser hoch komplexes, mehrschichtiges und unübersichtliches System der sozialen Sicherheit nicht in der Lage, dazu präzise Analysen zu liefern. Es ist zu hoffen, dass Health Care Technology Assessment in Zukunft auch die genannten, volkswirtschaftlichen Effekte von Therapien darstellen wird. Entscheidend ist die wissenschaftliche Qualität der Basis für Entscheidungen im Gesundheitswesen. Therapien, für die keinerlei Wirksamkeits-Evidenz besteht, die aber wenigstens nachweislich unschädlich sind, gehören in den Bereich der privat finanzierten Nice to Have Leistungen, nicht aber in die soziale Krankenversicherung.

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  6. Ich lehne diesen Appell ab! Wenn „Wissenschaft“ gleich „Evidenz-Basiertes EBM-Denken“ gesetzt wird, können wir alle einpacken! …und davor schützt uns gottlob die Politik, die sich dieser Gedankenpolizei zu Recht kritisch gegenüber verhält. Über 65 % aller Mainstream-Medizin-Anwendungen verfügen nicht über EBM-Studien! Der individuelle Mensch mit Defiziten und Erkrankungen ist kein Roboter, sondern ein kulturelles Lebewesen – und von daher kann die Evidenz-basierte Medizin für Einzelsubstanzen und technische Abfolgen verwendet werden; danach jedoch die gesamte Wissenschaft indoktrinieren zu wollen, wird einer grundsoliden, interdiziplinären Wissenschaft nicht gerecht!
    Krankenversicherungen und die Gesundheitspolitik wissen dies und von daher ist die Förderung von Komplementär- und Alternativer Medizin ein Schritt in die richtige Richtung – ein Schritt, den die Schweizer Bürger 2009 ausdrücklich befürwortet haben!!

    1. Kleine Frage: Woher genau stammt die Angabe der genannten 65%? Danke im Voraus für die Hinweise.

      Allgemein: Die Verwendung von Begrifflichkeiten in Ihrem Kommentar ist mir nicht ganz klar. Sie sehen evidenzbasierte Medizin als etwas, was interdisziplinärer Wissenschaft zuwider läuft. Wenn Sie die Logik Ihres Argumentes klären könnten, wäre ich dankbar.

      Bezüglich Abstimmung 2009: Das Ergebnis wird im Appell ausdrücklich begrüsst, aber die Art und Weise, wie das Ganze umgesetzt wird, wird kritisiert. Mir scheint, Sie setzen sich nicht mit den im Appell geäusserten Argumenten auseinander.

  7. Infolge der Volksabstimmung 2009 „Ja zur Komplementärmedizin“ werden seit 2012 diagnostische und therapeutische Leistungen der anthroposophischen Medizin, der traditionellen chinesischen Medizin, der ärztlichen Homöopathie sowie der Phytotherapie provisorisch (bis 2017) durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen.

    In dieser Zeit sollte der Nachweis erbracht werden, dass ihre Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Nach zwei Jahren zeichnet sich nun ab – so der Bundesrat – , dass dieser Nachweis für diese Fachrichtungen als Ganzes nicht möglich sein wird. Deshalb schlägt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) vor, diese Fachrichtungen den anderen von der OKP vergüteten medizinischen Fachrichtungen gleichzustellen. Damit gälte auch für sie das Vertrauensprinzip und die Leistungen würden grundsätzlich von der OKP vergütet.

    Zumindest aber einige diagnostische und therapeutische Leistungen, z.B. auf dem Gebiet der Allergologie, lassen sich wohl überprüfen, wie eine Sendung des Tessiner Fernsehens kürzlich aufgezeigt hat und in entsprechenden Publikationen geschildert wurde:

    • Unproven» Tests bei Nahrungsmittel-Intoleranzen, Teil 1 – Fünf alternative Diagnostik-Methoden auf dem Prüfstand (Link)
    • Unproven» Tests bei Nahrungsmittel-Intoleranzen, Teil 2 – Entlarvt: Unsinnige und nicht reproduzierbare Diagnostik-Methoden (Link).

    Es zeigte sich dabei, dass den überprüften fünf alternativen Methoden keine diagnostische Bedeutung zur Erfassung von Allergien oder Unverträglichkeiten zukomme. Ihre Ergebnisse sind falsch und nicht reproduzierbar und deshalb sollten Zusatzversicherungen, geschweige dann die Grundversicherung die Leistungen dieser Methoden nicht vergüten. Ebenfalls hat die Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie mehrmals zu der Sinnlosigkeit gewisser diagnostischer und therapeutischer Methoden Stellung genommen, wie z.B.:

    • Zur Bioresonanz – diagnostischer und therapeutischer Unsinn (Link 1 und Link 2)
    • Sinnlose Allergietests (Link).

    Das EDI und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sollten deshalb die Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (www.ssai-sgai.ch) über das geplante Vorgehen informieren und die SGAI einladen, bei der Erarbeitung der Kriterien und Prozesse mitzuwirken.

  8. Ihr Appell ist schlicht lächerlich und zeigt, dass Sie genauso gekauft sind wie angeblich das BAG.
    Wie Sie wissen, können nur Ärzte, welche eine entsprechende Zusatzausbildung mit Prüfung absolviert haben und dann den Fähigkeitsausweis bei der FMH beantragt haben, überhaupt über die Grundversicherung abrechnen (siehe Website der FMH). Kein nicht-Arzt kann aktuell und wohl auch in Zukunft über die Grundversicherung komplementärmedizinische Therapien abrechnen.
    All jene Therapeuten, welche schon seit Jahrzehnten erfolgreich Leuten helfen, tun dies entweder über eine freiwillige Zusatzversicherung oder der Patient zahlt freiwillig aus eigener Tasche. Was er wohl kaum tun würde, wenn es denn nichts nützten würde.

    Wenn Sie so wissenschaftlich wären, wie Sie im Appell tun, dann wären Ihnen sicherlich einige Studien, die die Wirksamkeit z.B. der Akupunktur zeigen, nicht entgangen (sind ebenfalls auf Pubmed veröffentlicht, da muss man halt nur einmal unvoreingenommen suchen).

    Ausserdem sollten Sie den demokratischen Entscheid des Stimmvolkes respektieren, und sich nicht auf Ihre Professoren-Titel berufen, um unter dem Deckmantel der Wissenschaft Dreckgeschäfte zu machen und wieder einmal einigen kleinen Therapeuten, die nur helfen wollen und im Gegensatz zu Ihnen keine Lobby besitzen, ans Bein zu pinkeln.

    Sie als Professoren und Ärzte sollten am besten wissen, wie in der Schulmedizin die Studien gefälscht oder statistisch ausgewertet werden, nur um ein signifikantes Ergebnis zu erzielen. Sie wissen genau, wie viele Medikamente trotz ‚guter‘ Studien später wieder vom Markt genommen werden mussten, weil sie zuviele Nebenwirkungen hatten. Also lassen Sie die Leute in Ruhe, welche dazu eine Alternative suchen. Es gibt bereits einige vielversprechende Ansätze und Studien, die aktuell laufen, welche eine gute Wirksamkeit von bestimmten Komplementärtherapien zeigen. Mit diesem Appell verhindert man nur, dass sich dieser Ast der wissenschaftlichen Komplementärmedizin weiterentwickeln kann.

    Ausserdem sollten Sie vielleicht auch veröffentlichen, wie viele Forschungsgelder sie von den Pharmafirmen direkt beziehen, um Studien über die Wirksamkeit irgendwelcher Medikamente zu machen. Oder wie häufig die Pharmavertreterin bei Ihnen in der Praxis oder am Institut erscheint, um Sie vom neusten Medikament zu überzeugen.

    Der Appell ist schlicht unnötigt, weil er nicht auf Fakten beruht. Aktuell laufen Bemühungen, die Ausbildung in Komplementärmedizin zu vereinheitlichen und auf einem hohen Niveau zu prüfen.
    Wenn Sie sich mit der Komplementärmedizin auseinandersetzen, wissen Sie, dass jeder Naturheilpraktiker jährlich mindestens 30h Weiterbildung macht. Wenn er diese Weiterbildung nicht nachweisen kann, dann kann er auch nicht mehr über die Zusatzversicherung abrechnen. Gleiches gilt für Ärzte mit Fähigkeitsausweis, auch sie machen regelmässig qualifizierte Weiterbildung.

    Deshalb sollten Sie sich beim Appell mal an Fakten halten und nicht einfach irgendwelche Behauptungen aufstellen.

    1. Ihr Appell ist schlicht lächerlich und zeigt, dass Sie genauso gekauft sind wie angeblich das BAG.
      Warum ist der Appell „lächerlich“? Wir können Argumente austauschen, aber Beschimpfungen sind etwas platt.
      Wir sind „gekauft“ „wie angeblich“ das BAG? Was bedeutet diese Behauptung? Von wem sollen wir gekauft sein?

      Wie Sie wissen, können nur Ärzte, welche eine entsprechende Zusatzausbildung mit Prüfung absolviert haben und dann den Fähigkeitsausweis bei der FMH beantragt haben, überhaupt über die Grundversicherung abrechnen (siehe Website der FMH). Kein nicht-Arzt kann aktuell und wohl auch in Zukunft über die Grundversicherung komplementärmedizinische Therapien abrechnen.
      Wird im Appell etwas anderes behauptet?

      All jene Therapeuten, welche schon seit Jahrzehnten erfolgreich Leuten helfen, tun dies entweder über eine freiwillige Zusatzversicherung oder der Patient zahlt freiwillig aus eigener Tasche. Was er wohl kaum tun würde, wenn es denn nichts nützten würde.
      Doch, das täte er auch, wenn es nichts nützt. Unsere subjektive Wahrnehmung ist sehr beschränkt, und rein aus alltäglicher subjektiver Erfahrung können wir nicht zuversichtlich bestimmen, ob etwas wirkt oder nicht. Vgl. hier, hier und hier.

      Wenn Sie so wissenschaftlich wären, wie Sie im Appell tun, dann wären Ihnen sicherlich einige Studien, die die Wirksamkeit z.B. der Akupunktur zeigen, nicht entgangen (sind ebenfalls auf Pubmed veröffentlicht, da muss man halt nur einmal unvoreingenommen suchen).
      Ja, es gibt einzelne Studien, welche der Akupunktur eine Wirksamkeit im Bereich der Schmerzlinderung zuschreiben. Mit Akupunktur wird aber ein umfangreiches Repertoire an Beschwerden und Gebrechen behandelt, ohne, dass es dafür eine evidenzbasierte Grundlage gäbe.

      Ausserdem sollten Sie den demokratischen Entscheid des Stimmvolkes respektieren, und sich nicht auf Ihre Professoren-Titel berufen, um unter dem Deckmantel der Wissenschaft Dreckgeschäfte zu machen und wieder einmal einigen kleinen Therapeuten, die nur helfen wollen und im Gegensatz zu Ihnen keine Lobby besitzen, ans Bein zu pinkeln.
      Bitte lesen Sie den Appell. Wir begrüssen den Volksentscheid ausdrücklich, beklagen aber die Art, wie er jetzt umgesetzt wird. Bitte lesen Sie den Appell auch hinsichtlich des Einflusses von Lobbies durch.
      Welche „Dreckgeschäfte“ werden von wem gemacht? Bitte ganz konkret Namen und Geschäfte nennen. Danke.

      Sie als Professoren und Ärzte sollten am besten wissen, wie in der Schulmedizin die Studien gefälscht oder statistisch ausgewertet werden, nur um ein signifikantes Ergebnis zu erzielen. Sie wissen genau, wie viele Medikamente trotz ‘guter’ Studien später wieder vom Markt genommen werden mussten, weil sie zuviele Nebenwirkungen hatten. Also lassen Sie die Leute in Ruhe, welche dazu eine Alternative suchen. Es gibt bereits einige vielversprechende Ansätze und Studien, die aktuell laufen, welche eine gute Wirksamkeit von bestimmten Komplementärtherapien zeigen. Mit diesem Appell verhindert man nur, dass sich dieser Ast der wissenschaftlichen Komplementärmedizin weiterentwickeln kann.
      Bitte klären Sie mich auf: Sind Sie jetzt für oder gegen Studien? Einerseits berufen Sie sich auf Studien, wenn diese Studien Ihre Meinung stützen, andererseits unterstellen Sie Fälschungen, wenn die Studien Ihre Meinung nicht stützen.
      Unsere Haltung ist ganz einfach: Wir wollen gute Studien; egal, was genau untersucht wird.

      Ausserdem sollten Sie vielleicht auch veröffentlichen, wie viele Forschungsgelder sie von den Pharmafirmen direkt beziehen, um Studien über die Wirksamkeit irgendwelcher Medikamente zu machen. Oder wie häufig die Pharmavertreterin bei Ihnen in der Praxis oder am Institut erscheint, um Sie vom neusten Medikament zu überzeugen.
      Solche Dinge sind problematisch, einverstanden. Was aber ist genau Ihr Argument? Dass der gesamte medizinische Wissenschaftsbetrieb korrupt ist?

      Der Appell ist schlicht unnötigt, weil er nicht auf Fakten beruht. Aktuell laufen Bemühungen, die Ausbildung in Komplementärmedizin zu vereinheitlichen und auf einem hohen Niveau zu prüfen. Wenn Sie sich mit der Komplementärmedizin auseinandersetzen, wissen Sie, dass jeder Naturheilpraktiker jährlich mindestens 30h Weiterbildung macht. Wenn er diese Weiterbildung nicht nachweisen kann, dann kann er auch nicht mehr über die Zusatzversicherung abrechnen. Gleiches gilt für Ärzte mit Fähigkeitsausweis, auch sie machen regelmässig qualifizierte Weiterbildung.
      Deshalb sollten Sie sich beim Appell mal an Fakten halten und nicht einfach irgendwelche Behauptungen aufstellen.

      Es tut mir Leid, aber ich verstehe nicht, was Sie hier meinen. Wo im Appell wird behauptet, dass Naturheilpraktiker keine Weiterbildungen machen? Wie bei einem Kommentar weiter oben habe ich den Eindruck, Sie reflektierten gar nicht, was im Appell steht. Niemand ist gegen Komplementärmedizin – sondern einfach für evidenzbasierte Medizin. Es geht darum, dass zuverlässig geprüft werden soll, was wirkt, und was nicht. So einfach.

      Und ganz allgemein zu Ihrem verschwörungstheoretischen Duktus: Skeptiker Schweiz ist die erste Organisation in der Schweiz, welche die AllTrials-Kampagne unterstützt, wo mehr Transparenz in der Pharmaforschung gefordert wird.

    2. @ Hartmann

      Jedem, der kritische Argumente gegenüber „Komplementärmedizin“ äussert, zu unterstellen, dass er oder sie von der Pharmaindustrie gekauft sei, ist ausgesprochen billig und eine immer wiederkehrende fragwürdige Masche.

      Es gibt jede Menge ernsthafter Kritik an dem, was als „Komplementärmedizin“ angeboten wird.

      Zum Beispiel die von Ihnen erwähnten 30h Weiterbildung pro Jahr für Naturheilpraktiker, die über Zusatzversicherungen abrechnen wollen:
      Das bleibt eine reine Farce, solange der Inhalt, welcher in diesen dreissig Stunden vermittelt wird, keinerlei Qualitätskritierien entsprechen muss. Qualitätsmässig ist es vollkommen egal, was in diesen 30 Stunden vermittelt wird. Seriöse Weiterbildung sieht meines Erachtens anders aus.

      Die „Komplementärmedizin“ täte gut daran, sich mit kritischen Einwänden sorgfältig auseinanderzusetzen. Sie wird nicht weiterkommen, wenn sie stattdessen nur repetitiv die Kritiker diffamiert.

      Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie,
      ……die auf der politischen Ebene aus Lobbying-Gründen übrigens irreführenderweise als zur Komplementärmedizin gehörend dargestellt wird. Siehe:
      http://www.heilpflanzen-info.ch/blog/gehoert-phytotherapie-zur-komplementaermedizin.html

  9. Ich unterstütze den Appell voll und ganz.

    Erst der Umstand, dass wir uns im Denken endlich alternativen Methoden und Praktiken öffnen, kann die Medizin weiterbringen. Ganz unabhängig davon, wie wir diese (aus Sicht der Schulmedizin neuen) Methoden nennen. Dies gilt übrigens nicht nur für die Medizin, sondern für das Wissen der Menschheit ganz allgemein.

    Es darf aber auf keinen Fall passieren, dass nun aufgrund dieses Entscheides Pharmafirmen einzelne ihrer Produkte einfach als „homöopathisch“ bezeichnen, um sich an Prüfmethoden vorbei zu schleichen. Jedes einzelne Produkt muss untersucht werden „EGAL AUS WELCHER ECKE ES STAMMT“.

    Nehmen wir den Fall Homöopathie: Eine Krankheit mit einem verdünnten (teilweise sogar hochverdünnten) Gift zu heilen hat verschiedene Wirkung:
    * teilweise gar keine: Wie soll ich eine Bleivergiftung mit verdünntem Blei heilen können? Wie eine Alkoholvergiftung mit einem winzigen Grappa wegspülen 😉
    * teilweise einen sehr hohen: So werden Impfstoffe und auch Antiseren gegen Schlangenbisse schon seit langem und nachgewiesen hochwirksam eingesetzt. Siehe z. B. hier: http://www.wdr.de/tv/kopfball/sendungsbeitraege/2014/0126/serum.jsp
    * und teilweise: … wissen wir es einfach nicht … Weil es noch nicht auf Ihre Wirksamkeit überprüft wurde.
    Es darf aber nicht sein, dass wir die Homöopathie nun als ganzes annehmen, nur weil wir für einzelne Produkte die Wirksamkeit nachweisen konnten.

    dito.: Akupunktur

    Nehmen wir zur Abwechslung die Pharmaindustrie: Nicht nur das bereits erwähnte Tamiflu, auch andere Stoffe werden regelmäßig geprüft und falls ihre Nicht-Wirksamkeit nachgewiesen werden kann, wieder vom Markt genommen. Was bin ich froh, wurde Contergan wieder vom Markt genommen auch wenn in vielen Fällen eine positive Wirkung nachgewiesen wurde. Doch auch hier ist eine regelmäßige Prüfung unumgänglich, gerade dann, wenn Medikamente zusammen mit anderen Medikamenten eingenommen werden.

    Weiteres Beispiel: Traditionelle Chinesische Medizin (oft kurz als TCM abgekürzt): Artikel wie z. B. dieser hier
    http://gutepillen-schlechtepillen.de/pages/archiv/jahrgang-2005/nr.-2-dez.-2005/produkte-der-traditionellen-chinesischen-medizin-mit-schadstoffen-belastet-bleierne-regenwuermer.php
    oder dieser hier
    http://de.wikipedia.org/wiki/Traditionelle_chinesische_Medizin (Gefahr durch Verunreinigungen und Pestizide)
    lassen aufhorchen. Hier ist doch eine systematische Untersuchung der einzelnen Produkte auch im Interesse des praktizierenden Arztes und nicht nur aus Sicht des Patienten. Zum Glück werden diese Produkte immer öfter auch untersucht. Die Pharmaindustrie selbst ist ja auch interessiert an Stoffen die wirken und untersucht selbst im abgelegenen Dschungel die Heilmethoden von Ureinwohnern. Aber auch hier bitte wieder: JEDEN EINZELNEN STOFF UNTERSUCHEN (auf Gifte und auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen!). Nicht einfach die ganze traditionelle Chinesische Medizin verfluchen, weil in 17 von 36 Kräutern Pestizide gefunden wurden.

    Nehmen wir aber auch psychologische „Heilverfahren“ wie z. B. die Astrologie. Aussagen wie „In den nächsten Tagen wird für Sie die Sonne aufgehen“ oder „Sie werden heute eine wichtige Entscheidung treffen“ haben eine sehr hohe Treffsicherheit: Sie gelten für alle lebenden Menschen auf diesem Planeten (präzisere Aussagen werden sehr selten bis fast nie gemacht). Aber nur die Tatsache, dass ein „Heilverfahren“ in 99% der Fälle nützlich ist, sagt noch gar nichts darüber aus, wie viel besser als Placebo das „Medikament“ wirkt. Ein Doppelblindtest (wie wir ihn aus der Schule alle kennen) muss für jedes einzelne Medikament herhalten können.

    Nehmen wir auch „Dien Chan“: Fußreflexzonenmassage für das Gesicht. Eine wirksame durchblutungsfördernde Methode. Allein die Tatsache, dass sie ein verbessertes Lebensgefühl hervorruft (wahrscheinlich eben durch die Massage), sagt aber nichts darüber aus, wo die Massage im Gesicht welchen Einfluss auf welches Organ haben wird. Ich hatte die einmalige Gelegenheit, eine Software schreiben zu dürfen, welche untersucht, wie groß der Einfluss der einzelnen Zonen (analog Fußreflexzonen) auf die einzelnen Organe ist. Der Widerstand dies zu untersuchen kam dann aber gerade aus den Reihen der praktizierenden Heiler! Sie wollen gar nicht, dass man Ihre traditionelle Methode untersucht! Obschon ich einen Teil der Software bereits entwickelt hatte, wurde aufgefordert, das Projekt zu stoppen: Es handle sich bei den Reflexzonenmassagen um etwas, das mit dem Menschen zu tun habe, und somit nicht überprüft werden könne. Sie weigerten sich, darüber Untersuchungen anzustellen. Wie schade, gerade bei einer „traditionellen“ Methode, die doch schon etwas über 20 Jahre alt ist (auch darüber musste ich schmunzeln).

    Betrachten wir nun aber etwas, das uns in naher Zukunft alle treffen könnte: Ebola. Nicht nur die Tatsache, dass es sich um eine ansteckende und tödliche, nicht impfbare Krankheit ist, welche nun auch schon in Nigeria auftaucht, soll uns aufhorchen lassen. Leider hat die wissenschaftlich basierte Medizin in den aktuell betroffenen Ländern wenig Chancen. Ein Hauptgrund der raschen Verbreitung liegt aber auch darin, dass die meisten Betroffenen lieber einen Quacksalber aufsuchen, als sich medizinisch untersuchen zu lassen. Auch hier Leute: Benutzt Eure graue Rinde: Wissenschaft ist nichts dämonisches; sie will ja nur eins: Wissen schaffen. Doch zum Glück suchen nun gerade die Homöopathen (die Homöopathen in ihrem ursprünglichen Sinne des Wortes) nach einem, ja was wohl: Einem Impfstoff. Warum sage ich, dass es die Homöopathen sind, welche den Impfstoff suchen? Ja eben genau daher, weil ein Impfstoff ja ein abgeschwächtes „Gift“ im Sinne Samuel Hahnemanns, des Begründers der Homöopathie ist. Da spielt es keine Rolle, ob es Hahnemann selbst, oder ein anderer Wissenschaftler in einem Labor tut: Wer einen Impfstoff entwickelt tut etwas homöopathisches!

    Auf den Punkt der Wirtschaftlichkeit würde ich als Wissenschaftler nicht zu viel Augenmerk richten. McDonalds ist ja auch sehr lukrativ; ob es dadurch gesünder ist, jeden Tag einen Burger zu verschlingen, mag ich leicht anzweifeln 😉
    Wenn es im Sinne der Wahrheitsfindung ist, sollten uns fast keine Kosten zu hoch sein (Natürilch sollten die Produkte danach nicht immens teuer werden). Warum sich nicht mit anderen Ländern zusammentun, anstatt jedes Produkt in der Schweiz nochmals testen zu wollen (sollte für alle Disziplinen gelten, ob akzeptiert oder nicht).

    In diesem Sinne will ich niemanden auffordern, diesen Appell zu unterzeichnen; ich will nur zum Denken anregen, auch wenn ein altes ghanesisches Sprichwort lautet: „Denken tut weh“ 😉
    Auch hoffe ich, dass der Bundesrat sein Denkorgan nochmals in Betrieb setzt, bevor er meinen Volkswillen weiter missachtet. Das habe ich so definitiv nicht gewollt, als ich vor einigen Jahren zur Alternativmedizin abgestimmt hatte!

    1. Forschung macht nur dann Sinn, wenn es klare Überprüfungskriterien gibt, die man tatsächlich überprüfen könnte. Die gibt es in der Homöopathie jedoch nicht. Die Homöopathie ist nicht falsifizierbar und somit von ihrer Natur her keine Wissenschaft. Ausserdem sind die homöopathischen Gedankenmodelle nicht nur nicht nachgewiesen, sie sind klar widerlegt und widersprechen fundamentalen physikalischen Grundgesetzen.

      Und bitte _niemals_ den (nachweislich funktionierenden) Wirkmechanismus einer Impfung mit dem überholten und widerlegten Gedankengebäude Homöopathie verwechseln. Das eine hat mit dem anderen rein überhaupt absolut gar nichts zu tun.
      Durch Impfungen konnten zahlreiche schreckliche, tödliche Krankheiten wie z.B. Polio erfolgreich bekämpft oder zumindest weitgehend eingedämmt werden. Ein Erfolg, der durch Homöopathiegläubige und Impfgegner untergraben zu werden droht.

  10. Medizin ist das, was wirkt. Und Wissenschaft ist ergebnisoffen.

    Ich unterstütze die Initiative, weil Wissenschaft nämlich ganz und gar nicht ergebnislos ist: selbstverständlich muss man sogenannte “Komplementärmedizin” wissenschaftlich betrachten darauf hin, ob und wie sie wirkt. Wirkt sie nicht, so gehört sie in den Kübel. Das Konzept der Placebos hat die Medizin nämlich schon, wir brauchen es nicht in vielen neuen Formen noch (daherphantasiert) “energetisch” hinzufügen.

    Das mag jetzt für den einen oder anderen Esoterik-Gläubigen hart klingen. Aber der wissenschaftliche Prüfstand ist nun einmal das, was die Medizin von der Scharaltanerie trennt – glücklicherweise!

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