Komplementärmedizin wird kassenpflichtig: Evidenzbasierte Medizin leidet

Marko KovicBlog15 Comments

Das Eidgenössische Departement des Inneren hat am 29. März 2016 bekannt gegeben, dass diagnostische und therapeutische Leistungen der Anthroposophie, der traditionellen chinesischen Medizin, der Homöopathie sowie der Phytotherapie ab dem 1. Mai 2017 definitiv durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet werden sollen – trotz fehlenden Wirksamkeitsnachweises für diese Fachrichtungen1.

Homöopathische Globuli: Sie wirken nicht, sollen aber so behandelt werden, als ob?

Homöopathische Globuli: Sie wirken nicht, sollen aber so behandelt werden, als ob?

Dieser Entscheid ist in mindestens zweifacher Hinsicht problematisch:

  1. Das Primat der wissenschaftlichen Evidenz diagnostischer und therapeutischer Massnahmen wird de facto abgeschafft.
    Nicht-evidenzbasierte Medizin wird evidenzbasierter Medizin gleichgestellt. Das ist, erkenntnistheoretisch gesehen, ein grosser Fehler, denn die Art und Weise, wie bei evidenzbasierter Medizin in Erfahrung gebracht wird, was wirkt und was nicht, unterscheidet sich kategorisch von der Art und Weise, wie dies bei nicht-evidenzbasierter Medizin geschieht. Evidenzbasierte Medizin verwendet wissenschaftliche Methoden, um Wirksamkeit so zuverlässig wie möglich einzuschätzen. Nicht-evidenzbasierte Medizin beruht auf subjektiver Erfahrung und Anekdoten – Methoden, mit denen es u.a. nicht möglich ist, nachzuweisen, dass etwas nicht wirkt.
  2. Es findet eine willkürliche Diskriminierung anderer komplementärmedizinischer Fachrichtungen statt.
    Das Spektrum komplementärmedizinischer Fachrichtungen erschöpft sich bei Weitem nicht in den vier vom EDI privilegierten Fachrichtungen. Nur ein Beispiel: Ayurveda-Medizin ist eine nicht-evidenzbasierte komplementärmedizinische Fachrichtung, welche auf dem indischen Subkontinent seit Jahrtausenden Verwendung findet. Wie kann das EDI verhältnismässig moderne Verfahren wie Homöopathie und Anthroposophie anerkennen, nicht aber eine derart etablierte und von derart vielen Menschen geschätzte Fachrichtung wie Ayurveda?

Die Schweiz ist daran, eine doppelt irrationale Vorreiterrolle zu übernehmen: Einerseits wird evidenzbasierte Medizin mit nicht-evidenzbasierter Medizin gleichgestellt, andererseits wird zwischen unterschiedlichen nicht-evidenzbasierten Fachrichtungen willkürlich diskriminiert.

Diese Entwicklung ist ein Problem, wie bereits im Appell «Wissenschaft vor Politik bei Komplementärmedizin»2 sowie in der «Zürcher Resolution für evidenzbasierte Medizin»3 festgehalten ist.

Um dieses Problem zu verhindern, gibt es nur eine Lösung: Wissenschaftlich nachweisbare Wirksamkeit soll auch in Zukunft das oberste Kriterium bei der Beurteilung diagnostischer und therapeutischer Leistungen und Verfahren aller Fachrichtungen bleiben – egal, ob diese «komplementär» sind oder nicht.

Autor

  1. https://www.news.admin.ch/dokumentation/00002/00015/?lang=de&msg-id=61140 []
  2. http://www.skeptiker.ch/themen/appell-wissenschaft-vor-politik-bei-komplementaermedizin/ []
  3. http://denkfest.ch/wp-content/uploads/2014/09/Resolution-deu.pdf []

15 Comments on “Komplementärmedizin wird kassenpflichtig: Evidenzbasierte Medizin leidet”

  1. Pingback: Keine Voodoo-Medizin auf Kosten der Allgemeinheit! @ gwup | die skeptiker

  2. @ user unknown:

    Das EDI in der Schweiz entspricht dem Bundesministerium für Inneres in Deutschland.

  3. Homöopathie erscheint mir als Glaube gleich einem religiösen Glauben. Da die Krankenkasse obligatorisch ist, werde ich gezwungen einen Beitrag an diesem religiösen Humbug mitzufinanzieren. Doch laut der Schweizer Verfassung Art.15 Abs 4 „Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.“ wiederspricht die Aufnahme in den Grundkatalog, diesem Verfassungsrecht. Wie komme ich nun zu meinem Recht?

  4. Leider hat sich das ja schon länger abgeziechnet. Die Begründung des EDI bleibt unverständlich. Man hat den Komplementärmethoden Zeit gegeben, die Wirksamkeit zu beweisen. Sie haben sie nicht bewiesen. Also nimmt man sie in die Leistungspflicht auf. Am Ende geht es wohl darum, dass Wissenschaft und Logik offenbar demokratisch überstimmt werden können. Zumindest lässt Antwort des EDI auf eine entsprechende Frage aus dem Jahr 2014 keinen anderen Schluss zu: https://gwendolan.wordpress.com/tag/komplementarmedizin/

  5. Wir sind ja fast schon so weit, wie in dem amerikanischen Bundesstaat (ich glaube es war Indiana), wo der Wert der Kreiszahl PI per Gesetz auf 4 festgelegt wurde. Als Mathematiker stehen mir da die Haare zu Berge. Doch wenn die Politik will, dass danach ganze Brückenbauten zusammenstürzen, weil die Mathematik dahinter keine Statik mehr liefern darf …

    Eigentlich müssten ja nun die Krankenkassen aktiv werden. Die Begründung des Bundesamtes ist unlogisch:
    http://www.bag.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/01217/index.html?lang=de&msg-id=52855
    Wir haben ja gerade deshalb „JA“ an der Urne gestimmt, weil wir endlich diesen Nachweis der Wirksamkeit abschließend haben wollten. Ja: Beweist uns endlich, dass diese Fachrichtungen eine Wirksamkeit aufweisen, die über Placebo hinaus gehen. Ja, Ja, Ja!

    Vielleicht müssen wir bei der nächsten Abstimmung unsere Forderung noch klarer formulieren. Wir wollen KEINE Homöopathie als ganzes: Wir wollen einzelne Produkte, deren Nachweis erbracht werden konnte. Es soll ganz klar bei jedem einzelnen Produkt angegeben werden (und zwar auch bei schulmedizinischen Produkten!): Ja, dieses Produkt hat die Prüfung bestanden: Ja, Dieses Produkt wirkt statistisch signifikant höher als Placebo.

  6. Könnte es sein das es eine Ebene gibt, welche ihr nicht zu erfassen vermögt?

    Ihr regt euch darüber auf das Hömophatie zugelassen wird? Ihr regt euch nicht darüber auf das wir durch Chemotherapie= Tod die Pharmaindustrie über die Krankenkasse subventionieren? Das unsere Ärzte, Spitäler uns schädliche Medikamente, Operationen, Zwangseinweisungen verkaufen oder uns dazu zwingen, ganz im Sinne der Pharmaindustrie…

    Das einige wenige mit einem Professortitel diktieren was nun ein neues Krankheitsbild ist und welche Medikamente es gibt? Das unsere Medikamentenkontrollorgane unter einer Decke mit den Pharmaindustrien stecken, genauso wie mittlerweile viele Unis, Politiker usw.? Ihr nennt euch Skeptiker? Von wem werdet Ihr bezahlt? Oder von wem wurdet ihr Aus-gebildet?

    Ihr denkt das alles was von der Natur kommt etwas mit Hexerei zu tun hat? Das es keine Frequenzen gibt welche wir Wahrnehmen, und die uns helfen? Oder schädigen? Das alles was von einem Amt geprüft wird auch tatsächlich so ist? Wer ist hinter dem Amt? Wer hat welche Interessen?

    Ich weiss nur eines, das mir meine selbstgemachte Salbe mehr hilft als die vom Doktor, und das Schmerz entweder unterdrückt, oder sein Ursprung angegangen werden kann und so geheilt wird. Ich weiss nur das die Schulmedizin in vielen Teilen eher Verbrechen als Heilung ist, und es auch da nur um Geld und Macht geht.

    Ich weiss ehrlich gesagt nicht was ihr für Menschen seid, und ehrlich gesagt, kennenlernen möchte ich euch auf keinen Fall, den ihr seid ein Teil des Übels, nur begreift ihr das nicht weil ihr auf kleinen Nussschalen auf dem grossen Meer dümpelt.

    Und ausser eurem Titel von der Uni, seid ihr nicht viel mehr als leere Hüllen, um euch zu retten braucht ihr euren Verstand, losgelöst vom Herz, ihr versteht nicht mal das alles eines ist. Und das wurde glaube ich sogar von der Quantenphysik belegt. Ich bin etwas gemein, aber ich muss es mal so ausdrücken- euer sogennantes „Wissen“ hinkt dem Wissen was seit langer Zeit vorhanden ist um Jahre hinterher. Es kommt immer auf die Herangehensweise an, wie man etwas betrachtet und erforscht. Es gibt zu viele Ebenen, und das scheint eure Art nicht zu begreifen.

    Ich gehe noch weiter, ihr wollt Skeptiker sein, schreit aber nach einer Zulassungsprüfung, welche dann etwas belegt. Klingt gut, aber eigentlich müsste man dann genau wissen wer diese Prüfung, unter welcher Methode macht. Ansonsten ist auch das für die Katz. Ihr schreit nach jemanden der etwas kontrolliert, weil Ihr selber unter Kontrolle sein wollt. Das ist der springende Punkt. Und dort würde die Heilung beginnen. Loslösung von Kontrolle, Abhängikeit,
    und dem Gefühl das jemand da sein muss der sagt was nun wie zu tun ist. Der absolut einzige Teil welcher uns erlöst ist das wir verstehen das wir einzigartige Wesen sind, und es nicht verdient haben nur auf rationales Denken herunter-gebrochen zu werden- wir sind sehr viel mehr als das. Entweder wir begreifen das, oder wir machen weiter wie bisher- mit Doppelmoral und Symptombekämpfung wie in euren Aussagen.

    Und nun wünsche ich euch viel Spass beim zerfleischen, lächerlich machen, mich als Troll zu bezeichnen usw. Was es halt so hergibt, wenn man ist was man eben nicht wäre. Wenn es nicht so wäre, wie es eben ist.

    Gruss

  7. Lieber Spöiz

    Auch ich will keine Pharma, die nichts nützt. Auch ich verwende meist Zwiebeln, Sport oder eine kalte Dusche statt ein Mittelchen aus der Apotheke. Darum geht es mir aber gar nicht. In diesem Bereich sind wir Wissenschaftler sehr, sehr verschieden. Einige von uns glauben, dass Gott existiert, andere glauben an die Wirksamkeit von was weiß ich. Andere wiederum glauben nur, was das Experiment bestätigt.

    Mir persönlich geht es um zwei Dinge, die aber eng miteinander verschmolzen sind:

    A) Jedes Mittel (ob Homöopatisch, Akupunktur, Fussreflexzonenmassage, aber auch Pharma-Produkte und eben auch vor allem Pharma Produkte) sollen einer kritischen Prüfung unterstellt werden. Mich interessiert nicht, ob etwas zugelassen ist oder nicht. Mich als Patienten interessiert vor allem, um wie viel mehr als Placebo ein Produkt hilft. Ein Glas Leitungswasser jeden morgen kann viele Leiden mit 50%-90% heilen. Warum also bittere Medizin der Pharma schlucken? Für mich sollte jedoch bei einem kassenpflichtigen Mittelchen draufstehen, wie viel besser als Placebo es hilft (und nicht nur der Mittelwert und der Median, sondern auch die Standrardabweichung interessieren; doch genau letztere wird in Studien meist verschwiegen). Diese Information ist im doppelten Blindtest einfach zu testen und gehört für mich auf jede Packungsbeilage.

    B) Ab Jan. 2017 gibt es obiges neues Gesetz. Mein Kollege stellt jetzt schon in seiner Küche selbstgemachte Homöopatische Mittelchen her (mit einfachen Produkten aus dem Supermarkt). Ohne jegliche Erfahrung. Einzig der behandelnde Arzt muss eine medizinische Ausbildung besitzen. So weit so gut, da muss ja noch jeder selber wissen. Wenn nun aber — und das ist mein Hauptproblem — die Pharma alle ihre Produkte, die durch ihre Tests durchgefallen sind (weil sie eben keinen Wirksamkeitsnachweis liefern konnten) einfach mit dem Titel „homöopatisches Heilmittel“ verkaufen dürfen, dann schlafe ich nicht mehr ruhig. Und dagegen gibt es leider weder ein Gesetz, noch eine Prüfstelle. Dann werden wir mit Produkten im Regal „Homöopathie“ übersät, die mit der klassischen Homöopathie nichts zu tun haben! Und daher die von mir verlangte Prüfung in Punkt A).

  8. Vielen Dank für die Objektive Antwort. Ich habe einige Details nicht gekannt und mich nur den Antworten angenommen.

    Nur eine kleine Frage, wie soll man Akupunktur, Farb/ Lichbestrahlung, Klangheilung usw. einem Test unterziehen?

    Beim einen nützt es, beim anderen nicht.

    Der eine ernährt sich von viel Gemüse, Obst, wenig Fleisch, trinkt Wasser und Tee, treibt Sport, ist draussen in der Natur, er raucht nicht, oder wenn nur rituell- also bewusst. Bei Ihm schlagen diese Therapieformen gut an.

    Der andere Sitzt dauernd nur am PC (beruflich oder privat), trinkt Cola und RedBull (o.ä), isst Fastfood und Convenience Food (Fertiggerichte), Raucht, geht auch in der Freizeit kaum nach draussen, treibt keinen Sport ausser den welchen er am TV schaut. Bei diesem Klienten schlägt es nicht an.

    Ist es nun weil der eine Körper „besser“ schwingt? Weil er näher an der Natur ist, und mit seinen Rhytmen vertraut? Oder hat es andere Gründe? Wie beweist man sowas? Wer Urteilt darüber?

    Kann man sowas, laut deinem Wissen überhaubt einem Test unterziehen? Du darfst gerne auch Homophatie einbeziehen falls es einfacher ist zu begründen. Ich lerne gerne dazu.

    1. Doppelverblindete Tests sind relativ einfach und laufen typischerweise nach dem selben Muster ab. Ob es sich hierbei um eine Sonnencreme, eine Anti-Ekzem-Creme, ein Stechmuster in der Akupunktur, eine Zone bei der Fußreflexzonenmassage, ein Globuli oder was auch immer handelt, nicht alle Personen sprechen auf alles an. Ich selbst mache es mit vielen Lebensmitteln, die ich gerne und oft konsumiere. Da waren Weizenbiere, Mozartkugeln, aber auch ein doppelverblindeter Test von Mirador zu Aromat vorhanden.

      Zum Vorgehen: Wir vergleichen also das Anwenden der „Mixtur“ mit einem Placebo. Dabei muss man genügend Personen finden, die dasselbe Leidensmuster (Übelkeit, Lustlosigkeit, Kopfschmerzen, Schuppenflechten, … was auch immer) aufweisen. Diese Personen werden in zwei Gruppen a je mind. etwa 1000 Personen geteilt. 1000 Personen erhalten die zu untersuchende „Mixtur“ und die anderen 1000 erhalten ein Placebo (es sollte in der Schweiz nicht schwierig sein, 1000 Personen mit chronischen Kopfschmerzen zu finden).
      Das Placebo kann eine einfache Trägersalbe oder ein falsches Stechmuster in der Akupunktur, eine absichtlich falsch massierte Stelle an den Fußsohlen oder ein Zuckerkügelchen anstelle des geforderten Globuli sein.

      Wichtig dabei, dass der behandelnde Arzt nicht weiß, ob er Placebo oder die Mixtur verschreibt. Eine Prüfstelle (wie heute bei den Pharmaprodukten vorgeschrieben) teilt die Personen nach einem möglichst guten Zufallsprinzip den beiden Gruppen zu. Dabei werden Region, Alter, Geschlecht, Beruf, und so weiter, möglichst an beide Gruppen gleich verteilt. In regelmäßigen Abständen werden nun die Personen vom Arzt auf ihre Befindlichkeit befragt und die Resultate werden gesammelt und der Prüfstelle weitergeleitet. Wenn nun sagen wir Placebo nach 5 Tagen bei 75% der Personen mit einer Standardabweichung von sagen wir 10% wirkt, dann muss die Mixtur natürlich bei mindestens 76% gewirkt haben und am besten auch nach weniger Tagen (4 Tage). Wenn wir nun eine Standardabweichung von 10% haben und die Mixtur lediglich mit 76% wirkt, so wirkt sie nicht einmal viel besser als die Standardabweichung vermuten ließe. Dennoch: Wenn die Mixtur aber auch zum Resultat sagen wir ca. 75%, ca 10% Standardabweichung und ca. 5 Tagen kommt, dann ist sie nicht mehr Wert als Placebo und ich trinke lieber regelmäßig ein Glas Wasser, mache regelmäßig Sport und zur weiteren Anregung des Kreislaufs Dusche ich auch ab und zu kalt. Wenn das den gleichen Nutzen hat, wie ein Pharmaprodukt oder eine Akupunktur, dann doch schon lieber „Marke Eigenbau“.

  9. Lieber Spoiz,

    Einmal sprichst du von Hömopathie, einmal von Homophatie, beides Methoden die mir bisher unbekannt sind. Erkläre doch kurz um was für interessante Methoden es sich dabei handelt.

  10. @myjunkee: Danke für deine Erklärung, sehr Wertvoll.

    Und an Thomas: ach, das ist verschwendete Zeit….

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