Der “March for Science”: Kampf für Wissenschaft, oder Kampf gegen Trump?

Marko KovicBlog4 Comments

Am 22. April 2017 findet der “March for Science”1 2 statt:  Über 500 auf der ganzen Welt verteilte Demonstrationen, bei denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch, allgemeiner, Freunde der Wissenschaft auf die Strasse gehen, um für Wissenschaft einzustehen. Gerade jene Leute also, die den Ruf haben, eher ruhig, besonnen und zurückhaltend zu sein, wagen sich mit dem March for Science für einmal raus aus dem Elfenbeinturm und rein in die politische Realität. Das ist bemerkenswert. Wie kommt es dazu?

Das Logo von March for Science. Bildquelle.

Der March for Science ist ein Indikator für den Zeitgeist. In unserem aktuellen politischen Diskurs zählt die blosse persuasive Kraft von Argumenten wohl mindestens so viel wie ihr Wahrheitsgehalt, wovon nicht zuletzt die Wahl Donald Trumps, eines begnadeten Verkäufers, ins Weisse Haus zeugt. Der March for Science ist denn auch eine unmittelbare Reaktion auf Donald Trump und seine bisweilen fragwürdige Einstellung zu wissenschaftlichen Themen.

Eine unmittelbare Reaktion auf Donald Trump war auch der Women’s March3, welcher im Januar direkt nach der Vereidigung Donald Trumps stattgefunden hatte. Während der Women’s March eine direkte und emotional wirksame Protestkundgebung für Frauen- und Menschenrechte war, ist man beim March for Science geneigt, nach der anfänglichen Euphorie für die Idee, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich überhaupt auf die Strasse wagen, zu fragen: Und worum geht es denn genau?

Auf diese Frage haben auch die Organisatoren des March for Science offenbar keine richtige Antwort. Auf der Webseite der Hauptorganisatoren4 finden sich zwar zahlreiche Plattitüden (“Gut geförderte und öffentlich kommunizierte Wissenschaft ist eine Säule menschlicher Freiheit und menschlichen Wohlstandes”), aber kaum eine konkrete politische Forderung. Einzige Ausnahme ist die Behauptung, öffentliche Finanzierung von Wissenschaft dürfe nicht abnehmen, in keiner wissenschaftlichen Disziplin. Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so eine Forderung aufstellen, ist sie, müsste man meinen, gut unterfüttert mit Argumenten und empirischer Evidenz. Beides aber sucht man vergebens.

Ist der March for Science einfach eine emotionale Kundgebung gegen den US-Präsidenten Donald Trump? Bildquelle.

Eine jede Kundgebung muss mit Symbolpolitik und Emotionen operieren, auch der March for Science. Dass aber der March for Science nach Monaten der Planung elementare Dinge wie Problembeschreibung, Begriffsklärung und Zieldefinition nicht zustande gebracht hat, erstaunt: Die Hauptorganisatoren sind nämlich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, also Menschen, die besonders grossen Wert auf Genauigkeit, Präzision und rationale Begründbarkeit legen sollten.

Der March for Science mag gut gemeint sein, aber er droht, zu einem Schnitt ins eigene Fleisch zu werden. Er bedient nämlich genau jene Vorurteile – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien alle politisch links und reflexartig gegen andere politische Meinungen – , mit denen Wissenschaft heute in der öffentlichen Wahrnehmung zu kämpfen hat.

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References

  1. https://www.marchforscience.com/
  2. Wessel, Lindzi. 2017. “On Eve of Science March, Planners Look Ahead.” Science | AAAS. April 11. http://www.sciencemag.org/news/2017/04/eve-science-march-planners-look-ahead.
  3. “2017 Women’s March.” 2017. Wikipedia. https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=2017_Women%27s_March&oldid=774611700.
  4. https://www.marchforscience.com/mission/

4 Comments on “Der “March for Science”: Kampf für Wissenschaft, oder Kampf gegen Trump?”

  1. „Der March for Science mag gut gemeint sein, aber er droht, zu einem Schnitt ins eigene Fleisch zu werden. Er bedient nämlich genau jene Vorurteile – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien alle politisch links und reflexartig gegen andere politische Meinungen – , mit denen Wissenschaft heute in der öffentlichen Wahrnehmung zu kämpfen hat.“

    Diese Argumentation lehnt sich sehr an Argumentationsformen aus rechten und esoterischen Kreisen an. Ist die Leugnung des Klimawandels denn eine politische Meinung, die ausführlich diskutiert werden sollte? Wohl eher nicht. Im Gegenteil würde ich behaupten, dass es sich dabei eher um eine Form des Glaubens handelt und wenn der Glauben die Politik bestimmt sind reflexartige Handlungen mehr als nötig.

    „Dass aber der March for Science nach Monaten der Planung elementare Dinge wie Problembeschreibung, Begriffsklärung und Zieldefinition nicht zustande gebracht hat, erstaunt […]“

    Die Marches of Science sind (meines Wissens) allesamt von Freiwilligen organisiert. Dementsprechend gab es monatelang die Gelegenheit an der Planung mitzuarbeiten und für eine Problembeschreibung, Begriffserklärung sowie eine Zieldefinition zu sorgen – oder ggf. eine bessere Alternative anzubieten.
    So ist die Alternative als „Wissenschaftscommunity“ das frappierende Einschreiten der Politik (Reviews von Politikern, fuckyeah!) als Gott gegeben hinzunehmen, oder wenigstens in einem nicht perfekten March of Science überhaupt Stellung zu beziehen.

    1. Salut geimfari

      „Diese Argumentation lehnt sich sehr an Argumentationsformen aus rechten und esoterischen Kreisen an.“
      – Es ist angesichts des offensichtlichen non sequitur eigentlich nicht nötig, aber trotzdem sei gesagt: Nein, *nichts* in dem obigen Text ist an „Argumentationsformen aus rechten und esoterischen Kreisen“ angelehnt.

      „Ist die Leugnung des Klimawandels denn eine politische Meinung, die ausführlich diskutiert werden sollte? Wohl eher nicht. Im Gegenteil würde ich behaupten, dass es sich dabei eher um eine Form des Glaubens handelt und wenn der Glauben die Politik bestimmt sind reflexartige Handlungen mehr als nötig.“
      – Wenn du unsere Webseite hier studierst, dann wirst du reichlich spezifische Kritik am US-Präsidenten Trump finden, nicht zuletzt beim Thema Klimawandel. Ich glaube schon, dass man solche Dinge grundsätzlich ausführlich diskutieren sollte; gerade, weil es keine banalen Sachen sind (ich verstehe das Argument aber vielleicht nicht).

      „Die Marches of Science sind (meines Wissens) allesamt von Freiwilligen organisiert. Dementsprechend gab es monatelang die Gelegenheit an der Planung mitzuarbeiten und für eine Problembeschreibung, Begriffserklärung sowie eine Zieldefinition zu sorgen – oder ggf. eine bessere Alternative anzubieten.“
      – Verständnisfrage: Meinst du damit, konkret, dass man selber mitwirken soll, anstatt zu kritisieren? Wenn ja, dann finde ich dieses „mach es besser“-Argument reichlich schwach (Wenn man das Argument ein bisschen weiterdenkt, dann dürfte man so gut wie *nie* *irgendetwas* kritisieren…).

      „So ist die Alternative als “Wissenschaftscommunity” das frappierende Einschreiten der Politik (Reviews von Politikern, fuckyeah!) als Gott gegeben hinzunehmen, oder wenigstens in einem nicht perfekten March of Science überhaupt Stellung zu beziehen.“
      – Wann und wo gab es denn *konkret* „Reviews von Politikern“? Das ist eben m.E. das Problem am March of Science: Nirgendwo ist ein wirklich nachvollziehbarer Entdeckungszusammenhang (Beschreibung der konkreten Probleme usf.) erklärt.

      Dein Kernargument hier finde ich interessant: Der March for Science ist nicht perfekt, aber er ist besser, als nichts zu tun. Wenn man das ganz leicht anders ausdrückt: Der March for Science soll eine bestimmte „Utility“ (Nutzen, im Rational Choice-Jargon) erreichen, und der March for Science erreicht diese Utility besser als kein March for Science. Das Problem mit diesem Argument: Wenn eben die Utility, um welche es geht, nicht definiert ist, dann können wir nicht Mal theoretisch über dieses Argument diskutieren. Das ist auch, ein bisschen anders umschrieben, das Argument aus dem obigen Text.

      Grüsse,
      Marko

  2. Nur soviel: Wenn ich lese, dass Trump ein „begnadeter Verkäufer“ sei, frage ich mich, wie ernst ich den Rest nehmen soll. Denn wer Trumps Werdegang auch nur im Groben verfolgt, dem fallen erst mal die sechs Pleiten auf, die er hingelegt hat – eine davon mit einem Spielcasino, was etwa so schwer ist, wie mit einer Gelddruckmaschine Verluste zu machen. Die einzige „Gnade“, die ihm von geburt mitgegeben wurde, war das Vermögen seines Vaters Fred Trump, sowie dessen Skrupellosigkeit, wenn es darum ging, andere auszubeuten.

    1. Na ja, ganz ganz allgemein: Unabhängig davon, wie gut man *ein* Argument findet: Den Rest der Argumente sollte man, rationalerweise, so ernst nehmen wie die *restlichen* Argumente gut sind :).

      Donald Trump *ist* ein begnadeter Verkäufer – sein Geschäftsgebaren besteht eben darin, Menschen zu überzeugen, für die Marke „Trump“ Geld auszugeben. Im Kontext dieses Artikels bedeutet das: Donald Trump ist gut darin, Menschen zu überzeugen („persuasive Kraft“), unabhängig davon, wie viel Substanz dahinter steckt. Das bedeutet also: Wenn ich Donald Trump als Verkäufer und nicht als Entrepreneur o.ä. beschreibe, dann übe ich recht heftige Kritik.

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