Wie unsauber wir argumentieren: Logische Fehlschlüsse

Es ist einfach so.

Die allermeisten Dinge in unserem Alltag nehmen wir ohne hinterfragen hin. Wenn wir am Morgen unseren Kaffee kochen, interessiert es uns nicht sehr, wie genau die Kochplatte heiss wird, und wie diese Hitze in unseren Kaffee gelangt. Es ist einfach so. Wenn wir die Zeitung durchblättern oder die Nachrichten im Internet überfliegen, hinterfragen wir nicht wirklich, was genau hinter den Themen des Tages steckt. Wir nehmen sie zur Kenntnis; es ist einfach so. Wenn unser Computer im Büro nicht funktioniert und der Computer-Mensch meint, er müsse den Arbeitsspeicher ersetzen, zweifeln wir nicht gross daran. Es ist einfach so.

Es ist sehr oft einfach so. Manchmal genügt uns dieses passive Hinnehmen der Dinge aber nicht. Manchmal werden wir neugierig. Manchmal drängt es in uns, und wir fragen:

Ist es so?

Allzu oft meinen wir, dass wir gut argumentieren, obwohl wir in Tat und Wahrheit mit unserem Argument nicht vom Fleck kommen.

Wenn wir wissen wollen, warum etwas ist, oder, ob etwas ist, oder, wie etwas ist, wenn wir also wissen wollen, ob die Bedingungen für die Gültigkeit einer Aussage über die Welt erfüllt sind, dann fordern wir Begründungen ein. Dann wollen wir Argumente hören und selber Argumente vortragen, und dieser kooperative Wettbewerb um das bessere Argument gibt uns Antworten auf die Fragen, ob, wie, warum etwas ist oder nicht ist.

Der Austausch von Argumenten ist der Weg zu besserem Wissen über die Welt. Dieser Weg ist an sich vielleicht eine Autobahn, aber unsere Fahrzeuge, unsere Argumente, sind nicht immer in bestem Zustand, sondern sehr fehlerhaft. Allzu oft meinen wir, dass wir gut argumentieren, obwohl wir in Tat und Wahrheit mit unserem Argument nicht vom Fleck kommen.

Was sind logische Fehlschlüsse?

Der Begriff «Fehlschluss» sagt im Grunde bereits, was mit einem logischen Fehlschluss gemeint ist: Ein Argument ist logisch nicht «schlüssig». Wenn ein Argument nicht schlüssig ist, bedeutet das, dass die Bausteine im Argument nicht «passen». Sie passen insofern nicht, als die Voraussetzungen im Argument (die sogenannten Prämissen) nicht zur behaupteten Schlussfolgerung führen.

Wir meinen, etwas mit einem mit einem Argument zu begründen, aber das, was wir begründen wollen, wird durch die Art und Weise, wie wir argumentieren, nicht begründet.

Formale und informale Fehlschlüsse

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum ein Argument ein Fehlschluss ein kann. Einerseits einen kann ein Argument rein formal, ganz ohne Bezug zum Inhalt, so aufgebaut sein, dass es fehlerhaft ist. Andererseits können auch eine oder mehrere Prämissen des Argumentes auf inhaltlicher Ebene falsch oder zumindest umstritten sein.

Diese zwei Arten von Fehlschlüssen können beschrieben werden als formale und informale Fehlschlüsse. Formale Fehlschlüsse betreffen nur die logische Struktur des Argumentes. Informale Fehlschlüsse betreffen auch die inhaltliche Qualität der Prämissen. Ein Argument kann inhaltlich falsch sein, aber formallogisch unabhängig davon korrekt. Zum Beispiel das folgende Argument:

Alle Menschen sind Mitglied im Verein «Skeptiker Schweiz».

Max Mustermann ist ein Mensch.

Max Mustermann ist Mitglied des Vereins «Skeptiker Schweiz».

Inhaltlich gesehen ist die erste Prämisse deutlich falsch. Formallogisch ist das Argument aber schlüssig, weil die Ableitung aus den Prämissen logisch erlaubt ist.

Ein Argument kann auch formallogisch falsch sein, aber inhaltlich korrekt (für dieses Beispiel nehmen wir einfach Mal an, Max Mustermann sei tatsächlich Mitglied im Verein):

Alle Mitglieder des Vereins «Skeptiker Schweiz» sind Menschen.

Max Mustermann ist ein Mensch.

Max Mustermann ist Mitglied im Verein «Skeptiker Schweiz».

Alle Prämissen und die Schlussfolgerung sind, wie wir in diesem Beispiel wissen, inhaltlich wahr, aber das Argument ist ein Fehlschluss, weil die Schlussfolgerung nicht aus den Prämissen hervorgeht. Wüssten wir nicht, ob Max Mustermann wirklich Mitglied ist, könnten wir anhand der vorhandenen Informationen nicht schlüssig bestimmen, ob er Mitglied ist oder nicht.

Informale Fehlschlüsse sind «hinterhältig».

Kann gesagt werden, welche Art der Fehlschlüsse «wichtiger» ist? Vermutlich nicht wirklich vernünftig, da dann zunächst eine ausführliche Diskussion nötig wäre, um zu bestimmen, was die Kriterien für Wichtigkeit sind. Im folgenden Abschnitt sind allerdings nur Beispiele für informale Fehlschlüsse aufgelistet, weil diese eine besondere Eigenschaft haben. Informale Fehlschlüsse sind «hinterhältig»: Weil sie formallogisch korrekt sein können, meinen wir intuitiv, sie seien auch inhaltlich schlüssig. Wir lassen uns vorgaukeln, dass gute Argumente vorliegen. Das ist aber nur die glänzende  Fassade, und dahinter lauert der modrige Fehlschluss.

Einige Beispiele für informale Fehlschlüsse

Es gibt zahlreiche Varianten informaler Fehlschlüsse. Teilweise sind informale Fehlschlüsse nicht ganz Trennscharf gegenüber anderen Dingen, z.B. kognitiven Verzerrungen oder methodisch unzuverlässigem Interpretieren von Daten. Dennoch ist es nützlich, zur Veranschaulichung einige häufige informale Fehlschlüsse vorzustellen. Bei einigen Fehlschlüssen steht in Klammern ihre lateinische Bezeichnung. Für jeden Fehlschluss ist eine kurze Definition angegeben, begleitet von einem Beispiel.

Angriff auf die Person (Ad hominem)

 

Argument der Autorität (argumentum ad verecundiam)

 

Argument der Beliebtheit (argumentum ad populum)

 

Argument der Ignoranz (argumentum ad ignorantiam)

 

Argument der Natur

 

Argument der Tradition

 

Kompositions-Argument

 

Kompromiss-Argument

 

Korrelation ist Kausalität (Post hoc, ergo propter hoc / Cum hoc, ergo propter hoc)

 

Strohmann-Argument

 

Zirkularität

Warum sind Fehlschlüsse wichtig?

Es ist offenkundig, warum Fehlschlüsse ein Problem sein können. Wenn wir etwas über die Welt erfahren wollen, können wir nur den Weg der Argumentation dazu verwenden. Wenn wir nicht erkennen, ob Argumente schlüssig sind oder nicht, können wir auch keinen Wissensfortschritt erreichen – bzw. keinen Fortschritt zuverlässigen Wissens. Unschlüssiges Argumentieren birgt nämlich nicht nur die Gefahr, dass wir nicht weiterkommen, sondern auch, dass wir auf den falschen Weg geraten: Wenn wir unschlüssige Argumente als Grundlage für unser weiterführendes Denken und Handeln verwenden, hat das potenziell katastrophale Folgen.

Können wir Fehlschlüsse «beseitigen»?

Wir sind logisch unsauberer Argumentation nicht hilflos ausgesetzt. Die Schlüssigkeit unserer eigenen Argumente und der Argumente anderer können wir grundsätzlich immer hinterfragen. Da damit immer Aufwand verbunden ist, ist natürlich nicht möglich, unendlich vielen Argumenten unendlich lange auf den Zahn zu fühlen.

Es gibt aber mindestens zwei Gründe, warum logische Fehlschlüsse vermutlich auch in Zukunft weit verbreitet sein werden. Zum einen ist der Ursprung manch eines Fehlschlusses nicht bloss zu wenig reflektierte Argumentation, sondern das eigene, subjektive Empfinden. Wir Menschen sind anfällig für kognitive Verzerrungen, und diese überführen wir gerne in logische Fehlschlüsse.

Zum anderen werden logische Fehlschlüsse auch bewusst strategisch eingesetzt. In einer hitzigen Debatte kann ein gut platzierter Fehlschluss den Anschein erwecken, man habe ein vernünftiges Argument vorgetragen. Wir mögen dabei wissen, dass wir etwas logisch Unschlüssiges gesagt haben, aber all die Zuhörenden lassen sich kurzfristig von der glänzenden Fassade blenden. Fehlschlüsse können ein mächtiges rhetorisches Werkzeug sein, und davon dürfte auch in Zukunft rege Gebrauch gemacht werden.

Weiterführende Quellen

Literatur

Black, M. (1946). Critical Thinking: An Introduction to Logic and Scientific Method. Prentice-Hall, Incorporated.

Detel, W. (2007). Grundkurs Philosophie / Logik. Stuttgart: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag.

Engel, S.M. (1999). With Good Reason: An Introduction to Informal Fallacies. Bedford/St. Martin’s.

Hughes, W. & Lavery, J. (2004). Critical Thinking, fourth edition: An Introduction to the Basic Skills. Broadview Press.

Pirie, M. (2006). How to Win Every Argument: The Use and Abuse of Logic. Continuum.

Thouless, R.H. (2011). Straight and Crooked Thinking: Teach Yourself. Hodder & Stoughton.

Walton, D. (2010). Why Fallacies Appear to be Better Arguments Than They Are. Informal Logic, 30 (2), 159–184.

Zoglauer, T. (2008). Einführung in die formale Logik für Philosophen. UTB GmbH.

Internetlinks

Taxonomy of Logical Fallacies, fallacyfiles.org.

Thou shalt not commit logical fallacies, yourlogicalfallacies.org.

Autor

23 Comments on “Wie unsauber wir argumentieren: Logische Fehlschlüsse”

  1. Pingback: Humanismus als moderne Synthese: Freiheit, Ethik & Rationalität | Body of Knowledge

  2. Sorry, aber wir können nicht NUR per Argumentation etwas über die Wirklichkeit erfahren. Ganz im Gegenteil, Argumentation zu nutzen um die Realität zu erfahren ist bereits ein Fehlschluss in sich. Diesen Ansatz nutzten die alten Griechen und verrannten sich damit hoffnungslos in nutzloser Philosophie. Der einzige Weg die Realität zu erfahren ist das Experiment. Es spielt keine Rolle wie schlüssig Du gegen die Existenz der Schwerkraft argumentieren kannst. Wenn du im 20. Stock aus dem Fenster steigst nutzt Dir das überhaupt nichts.

    1. Das ist nicht ganz wahr. Experimente können nicht immer zur Lösung von Fragenm hergezogen werden. Ein Beispiel:

      1. Prämisse: Alle Menschen sind sterblich
      2. Prämisse: Sokrates ist ein Mensch
      ————————————————————–
      Konklusion: Sokrates ist sterblich

      Problem: Woher wissen wir, ob alle Menschen sterblich sind? Um das herauszufinden, müssen wir das Experiment
      verwenden und all Menschen töten. Umsetzbar? Wohl kaum.

  3. Vielleicht ist das nicht ganz verständlich rübergekommen: Logisch schlüssige Argumentation ersetzt nicht Empirie, aber Argumentation is Grundvoraussetzung, um überhaupt empirisch vorgehen zu können. Es gibt keine Empirie im Sinne empirischer Evidenz, welche für sich genommen, ohne argumentative Begründung und Deutung, zu rationaler Erkenntnis führt. Oder, banaler ausgedrückt: Ein Experiment hat eine ganz lange Argumentationskette als Begründung für das Experiment, als Begründung für das konkrete Design des Experimentes, und als Begründung für die Deutung der Ergebnisse.

    Beispiel Schwerkraft: Das ist ja genau eine prototypische Argumentationskette – erst dadurch, dass argumentiert wird, macht die Empirie Sinn.

    Grüsse

  4. Der Fehlschluss bei „post hoc ergo propter hoc“ kann in der Datenerhebung liegen; genau genommen liegt der Fehlschluss aber darin, dass Korrelation ohne weiteres als BEWEIS der DIREKTEN Kausalität gedeutet wird.
    Aus Korrelation auf Kausalität zu schliessen liegt im Wesen der Wissenschaft. Der Unterschied ist, dass die Wissenschaft den Mechanismus der Kausalität zu ergründen sucht. Es kann ja auch sein, dass zwar kein Ursache-Wirkung-Mechanismus besteht, aber beide beobachteten Phänomene auf eine gemeinsame Ursache zurückgehen. ZB korreliert der Rückgang der Geburten in den 60er Jahren statistisch signifikant mit der Abnahme der Storchbevölkerung (wenn man den Datenrahmen richtig legt – in sich auch wieder eine Manipulation); natürlich belegt das nicht, dass der Storch die Kinder bringt, aber man kann den steigenden Lebensstandard als indirekt kausal für beide Phänomene deuten, was die starke Korrelation hinreichend erklärt.
    Ob der „Beweis“ des Kausalzusammenhanges gelingt, hängt vom Standard ab, der erreicht werden muss. Im Zivilrecht zB gilt ein tieferer Standard als im Strafrecht, im Strafrecht ein tieferer als in der Wissenschaft. Dass Rauchen Krebs verursacht zB ist nie wissenschaftlich BEWIESEN worden, wird aber kaum bezweifelt (wobei man dann vorsichtig sein muss, nicht in den Fehlschluss des Autoritätsglaubens zu verfallen – „wissenschaftlicher Konsens“ für sich allein ist nicht Wissenschaft).
    Besonders fatal und unzulässig ist freilich der implizierte Umkehrschluss, dass bei statistisch signifikanter Korrelation aber fehlendem glaubhaften Mechanismus gefolgert wird, die Kausalität sei widerlegt.

    1. „Aus Korrelation auf Kausalität zu schliessen liegt im Wesen der Wissenschaft.“ Die mögliche Kausalität einer Korrelation zu UNTERSUCHEN liegt im Wesen der Wissenschaft. Von Korrelation auf Kausalität zu schließen dagegen nicht. Wohlmöglich besteht absolut keine Abhänigkeit zwischen den vermeintlich korrelierenden Befunden, trotz einer einwandfreien Datenerhebung.

  5. @Shato Nyruami
    Wie wahr! Die Kunst des Argumentierens blüht meist dort, wo man Recht behalten will. Schopenhauer definiert ja bekanntlich die Rhetorik als die Kunst des Rechtbehaltens. Ich sehe ein Primat der Rhetorik gerade beim virulenten Thema der Islam- und Flüchtlingskritik. Es ist ein Rückzugsgefecht vor der täglich um neue Fälle sich anreichernden Empirie. Wenn man sich logische Fehlschlüsse in hoher Dichte anschauen möchte, studiere man die empörten Reaktionen auf Sarrazin´s Publikationen.

  6. Sehr interessant, aber BITTE verbessern Sie doch die grammatischen oder orthografischen Ausrutscher.

  7. wie nennt man folgendes argument y?

    person a mit argument b: du handelst nicht umweltfreundlich, da du einen maserati fährst
    person x mit argument y: du fährst doch selber einen 5er bmw. du bist nicht authentisch. (du bist nicht in der position mich zu kritisieren)

    das ist nicht wirklich ad hominem oder?

    1. Guten Tag Frau Schmidt,

      ganz Recht.
      Hier nochmal eine Definition einer anderen Website: „Personenbezogene Argumente oder Ad-hominem-Argumente nennt man Fehlschlüsse, die auf die Sprecherposition oder -person zielen, statt das Argument selbst zu beachten oder zu entkräften.“
      Da das Argument der Umweltunfreundlichkeit nicht entkräftet wird, sondern außschließlich der Sprecher als unglaubwürdig abgestempelt werden soll ein klarer Ad-hominum Fall.

    2. Es gibt 2 Antworten auf deine Frage:

      Tu quoque (Du machst es ebenso):
      Die Argumente des Gegenüber sind invalide, da der Gegenüber oder die zugehörige Gruppe des Gegenüber diesselben Eigenschaften/Tätigkeiten/Weltanschauungen/etc. wie ich selbst hat.

      Falsche Quelle:
      Die Argumente des Gegenüber sind aufgrund der Quelle invalide. Dabei wird auf die Herkunft der Quelle geachtet, nicht auf den Inhalt oder eine Gegenquelle. Diese Argumentation grenzt an ein ad hominem, da die andere Position aufgrund von persönlichen Werten angegriffen wird.

  8. Hallo Daniela, danke für die schnelle Antworrt. Leuchtet mir ein! Einen Fehlschluss sehe ich jedoch nicht. Ein Fehlschluss wäre es im folgenden Fall:

    Person a wirft Person b Umweltsünde vor, weil Person b Maserati fährt. Person b verweist auf den BMW von Person a und sieht dies als Beweis dafür, keine Umweltsünde begannen zu haben.

    Oder anders ausgedrückt. Argumentum ad hominum ist nur dann ein Fehlschluss, wenn ich behaupte, dass die Äußerungen von Person nicht wahr sind. Dies war aber nicht der Fall. Person b hat Person a nur als unauthentisch bezeichnet, nicht aber die Aussage bewertet. Daher ist es argumentum ad hominum, ein Fehlschluss ist es aber nicht. Oder?

    1. Hallo,

      entschuldigen Sie bitte die falsche Anrede. Ihre Konter wurde mit Humor zur Kenntnis genommen.

      und ja, es ist natürlich nur ein Fehlschluss, wenn aufgrund des ad hominem Arguments auch ein Fehlschluss gezogen wird.
      Anders gesagt: Ad hominem ist eine beliebte Methode andere zu Fehlschlüssen zu verleiten.

      Leseempfehlung: Arthur Schopenhauer „Die Kunst,Recht zu behalten“. Argumentum Ad Hominem S. 23 Nr. 16 http://www.wendelberger.com/downloads/Schopenhauer_DE.pdf

  9. Pingback: Frau Lange hört zu (18): Kassandra und die selbstsicheren Dummköpfe - Klassik begeistert

  10. Hallo,
    Warum ist dieser eine Bastard auf Rechtschreibung gegangen, Wallah.
    Björn Halt die Fresse.
    Grüsse

  11. Ich habe andrew tate gestern einen geblasen.
    Jetzt bin ich schwanger. Ach uebrigens du bist adoptiert

  12. REPLY
    Hallo Shato Nyruami!
    Der Ausdruck, „die alten Griechen“ ist doch sehr weit gefasst. Solltest du Aristoteles im Sinn haben, trifft dein Argument sicherlich nicht zu. Eine petitio principii besteht nach Aristoteles ja gerade darin, dass eine Prämisse problematisch sein kann. Im neunten Buch der Topik versucht er zu zeigen, welche Fallstricke eine schlechte Argumentation für uns besitzen kann. Ein Beispiel:

    „Und da es zutrifft, dass die Erde, wenn es geregnet hat, feucht ist, so nehmen wir an, wenn sie feucht ist, so hat es geregnet. Das ist aber nicht notwendig. – Und in den Anweisungen für Redner gehen die Beweise über Anzeichen von Folgen aus: man will nachweisen „der ist ein Ehebrecher“ und hat sich hergenommen, was dem folgt: Er hat sich schön gemacht, oder, man sieht ihn nachts herumstreichen. Das trifft ja auf viele zu, das, was die Anklage vorbringt, aber nicht. (Topik IX 5 167b)

    Was er über „Ehebrecher“ schreibt, mag lustig klingen, ist jedoch nichts anderes als ein Urteil aufgrund schwacher Indizien. Wie verheerend solche Urteile sein können, wenn sie auch noch mit Rassismen kombiniert werden, versucht Harper Lee in ihrem Buch: „To Kill a Mockingbird“ „Wer die Nachtigall stört“ darzustellen. Aber auch die Unterscheidung zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen ist für unser Denken unabdingbar. Die Liste von Beispielen, die zeigen, dass die Antike auch für uns zu interessanten Einsichten gekommen ist, kann beliebig erweitert werden.
    Die Empirie ist immer auf Begriffe, Sätze und Argumente angewiesen und daher sollten wir in der Lage sein, diese Kategorien zu untersuchen, um Fehler, die aus schlechten Argumentationen oder ungenauen Begriffsbildungen entstehen, in Zukunft zu vermeiden.
    Natürlich ist das Argument für deinen Fensterspringer recht nutzlos, das gleiche gilt allerdings auch für Erfahrungen und Experimente – es sei denn, er wollte herausbekommen, welche Reize der freie Fall haben könnte oder ob der Aufschlag wirklich – wie immer behauptet wird – tödlich ist .

Kommentar schreiben