Der Chnobli-Mann beim Blick am Abend: Humbug des Monats 09/10-2014

Denis UfferBlog, Gesundheit, Humbug des Monats2 Comments

Humbug des Monats klein

Manche Geschichten müssen einfach reifen, bevor man sie erzählt. Dies gilt auch für diesen Artikel. Das Projekt «der Humbug des Monats» planen wir schon länger, doch nun endlich hat mich auch die Muse der Inspiration gepackt, womöglich gereizt von einer Überdosis Knoblauch.
An eine Gratiszeitung wie den Blick am Abend mag man ja bescheidene Qualitätsansprüche haben. Doch als mir vor rund einem Monat in zwei aufeinanderfolgenden Wochen zwei Artikel von einem Autor auffielen, der mir schon aus anderen erleuchtenden Artikeln bekannt war, sind die Würfel gefallen: zu diesem Knoblauch gehört gefälligst mein Senfkorn.

So schrieb der Knoblauch-Vertreter der besagten Gratiszeitung wiederholt darüber, welche Wunder man sich von Knoblauch und dessen Extrakten bei der Behandlung von chronischen Krankheiten erhoffen soll, die heutzutage den medizinischen Alltag dominieren.

Hätte ich nur etwas früher davon Wind bekommen, da hätte ich mein Medizinstudium gleich fallen gelassen und mich zum Knobliopathen ausgebildet – autodidaktisch, versteht sich.

Wieviel steckt in diesem Stinker wirklich drin?

Die Quintessenz aus Monsieur Knoblauchs Artikeln: Knoblauch heilt und hat selbstverständlich keine Nebenwirkungen. «Mundgeruch?», höre ich Sie da fragen; ach, das ist doch Schnee von gestern, heutzutage ist eine scharfe orale Duftnote nämlich «in» – etwa so wie Hipster.

Jetzt aber mal ernsthaft, was lernen wir in diesen Beiden gewürzten Artikeln vom Experten?

  1. Der Einstieg des ersten Artikels (Link) ist scharf: Ein Freund des Autors hat Probleme, Männer-Probleme, nun ja, Erektionsprobleme. Und Schuld dran, ist ja klar, ist die böse Pharma-Medizin, denn sie produziert schliesslich die Betablocker, dessen Nebenwirkung des Freundes Männlichkeit erblassen lässt. Ignorieren wir hier doch einfach mal die Tatsache, dass Betablocker schon länger nicht mehr als Medikament erster Wahl bei Bluthochdruck gelten und ignorieren wir auch, dass der Hausarzt vielleicht das Medikament hätte wechseln können bzw. den Freund auf allfällige Erektionsprobleme hätte ansprechen können. Und fragen wir den Hausarzt auch nicht, ob er sich seine letzten Fortbildungs-Credits mit Kursen in Kardiologie und allgemeiner innerer Medizin oder eher in Homöopathie und Energiemedizin erworben hat.
    Ach ja, übrigens: Auf dem Beipackzettel steht nur zum Spass «bei allfälligen Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.» Unfug! Die Lösung heisst Tsatsiki mit reichlich Knoblauch zum Frühstück. Und wenn’s den Blutdruck nicht senkt, dann vielleicht wenigstens das Rentenalter der Beamten.
  2. Nun wissen wir also: Knoblauch, Knoblauch, Knoblauch! Pharma-Packungen wegschmeissen, Knoblauch einwerfen (oder eben Tsatsiki), und weg sind die Sorgen. Der Mann steht wieder (in allen Sinnen des Wortes) und der Blutdruck folgt dem Wunschdenken des Patienten. Und machen wir uns hier bitte nicht diese unnötigen Sorgen darüber, ob es nun überhaupt Studien gibt, die die Wirkung des Knoblauchs belegen und ob die scharfe Zehe vielleicht noch Nebenwirkungen haben könnte. Knoblauch ist doch natürlich, dann kann es ja keine Nebenwirkungen haben, kapiert?
  3. Des Gewürzdramas zweiter Teil (Link 2) – Neuer Bösewicht: Aspirin; neue Lösung: Wer hätte es gedacht? Knoblauch!
    Es folgt eine kurze Einführung in die Entdeckung der Salicylsäure und die Entwicklung von Aspirin (Acetyl-Salicylsäure). Aber ja kein Wort darüber verlieren, weshalb diese verpönten Pharma-Unternehmen damals überhaupt Aspirin entwickelten, wenn man Salicylsäure schon aus der Weidenrinde hätte gewinnen können! Nur nichts sagen darüber, dass Aspirin im Vergleich zu seinem Urstoff wesentlich weniger Nebenwirkungen provoziert! Nein, nein, das würde die Pharmazie doch nur in unnötig gutes Licht rücken.
  4. Wo waren wir also? Ach ja, Tsatsiki zum Zweiten. Machen wir mal ein kleines Gedankenexperiment. Aspirin wird verabreicht, um bei Patienten mit bestimmten Herz-Kreislauf-Risikofaktoren das Blut zu verdünnen, wodurch das Risiko für Verschlimmerungen der chronischen Krankheit bzw. für Infarkte gesenkt wird. Die – im Vergleich zum Herzinfarkttod sehr kleinen – Nebenwirkungen von Aspirin rühren unter anderem also von seiner gewünschten Wirkung: eine leicht erhöhte Blutungsneigung in kleinen Gefässen, ein leicht erhöhtes Risiko für Magenprobleme.
    Sollte das gleiche Gedankenexperiment dann nicht auch für Knoblauch gelten? Aber nein doch, Knoblauch hat nichts davon, ist ja klar, ist ja natürlich, kann ja keine Nebenwirkungen haben. Shiva sei Dank, gibt es den Knoblauch-Botschafter.

Und falls der Knoblauch nicht hilft, dann versuche man mal seine eigenen Energie-Hauptstrassen durch den Körper anzuzapfen. Habe ich ebendort gelesen. Es sei wissenschaftlich unbestritten. Sagt man.

Selbstverständlich hat Knoblauch bzw. einige seiner Inhaltsstoffe pharmakologische Wirkungen, die es durchaus verdient hätten, erforscht und zum Teil auch angewandt zu werden12. Doch die Pauschaldeklaration, Knoblauch löse alle Probleme, kombiniert mit einer Zwischen-den-Zeilen-Empfehlung, die anderen (möglicherweise lebenswichtigen) Medikamente abzusetzen, kann nur von einem Menschen mit Knoblauch-Intoxikation kommen. Na dann, Tsatsiki ahoi, und bis zum nächsten Humbug!

 

Haben Sie irgendwo einen Artikel erblickt, der die Krönung zum Humbug des Monats verdient? Dann lassen Sie es uns wissen und schreiben Sie Ihren Vorschlag an Denis Uffer (denis.uffer@skeptiker.ch).

Quellen

Autor

  1. Stabler, S. N., Tejani, A. M., Huynh, F., & Fowkes, C. (2012). Garlic for the prevention of cardiovascular morbidity and mortality in hypertensive patients. The Cochrane Database of Systematic Reviews, 8, CD007653. doi:10.1002/14651858.CD007653.pub2 []
  2. Rohner, A., Ried, K., Sobenin, I. A., Bucher, H. C., & Nordmann, A. J. (2014). A Systematic Review and Metaanalysis on the Effects of Garlic Preparations on Blood Pressure in Individuals With Hypertension. American Journal of Hypertension, hpu165. doi:10.1093/ajh/hpu165 []

2 Comments on “Der Chnobli-Mann beim Blick am Abend: Humbug des Monats 09/10-2014”

  1. Herr Vontobel widersetzt sich sämtlichen journalistischen Regeln. Gerade im Bereich Medizin/Gesundheit müssen journalistische Minimalstandards unbedingt eingehalten werden. Dazu gehört beispielsweise, dass gewisse Methoden/Anwendungen/Therapien kritisch hinterfragt und dem Leser unterschiedliche Sichtweisen/Perspektiven angeboten werden. Doch das ist diesem Autor offenbar völlig fremd – dem „Blick am Abend“ scheint es ohnehin egal zu sein. Ich erinnere an dieser Stelle gerne an einen Artikel dieses Autors, in dem er eine Diät vorstellte, die angeblich gegen Krebs und Multiple Sklerose helfen soll. Hier hätte sich der Leser zumindest eine kritische Stellungnahme eines Schulmediziners gewünscht.

  2. Diese Art des Journalismus und auch der Argumentation ist leider sehr weit verbreitet… Daher braucht es die Skeptiker! Es braucht allerdings heutzutage fast etwas Zivilcourage öffentlich dazu zu stehen, dass man medizinische bzw. paramedizinische Produkte und Anwendungen wissenschaftlich hinterfragen will und nicht an unqualifizierte Behauptungen zu glauben breit ist…

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