Die Top 9 Denkfehler und Fehlschlüsse von Impfgegnern

Marko KovicBlog40 Comments

Einleitung: Kein banales Problem

Im Januar und Februar 2015 wurde mehr als üblich darüber berichtet, dass es Menschen gibt, die Impfungen vereinzelt oder pauschal ablehnen. Der Grund für die Sensibilisierung der Medien für diese Thematik ist ein Masernausbruch in den USA, welcher seinen Anfang wahrscheinlich in Ansteckungen in Disneyland hatte1. Man mag den Medien vorwerfen, sich nur auf diese Geschichte zu stürzen, weil Masern in Disneyland ein schön schauriges Bild sind. Diese Geschichte beinhaltet aber einen durchaus ernsten Kern. Masern sind eine Infektionskrankheit, die dank Impfungen sehr gut kontrollierbar ist, und im Allgemeinen nehmen wir Masern nicht als sehr grosse Bedrohung wahr. Weltweit ist die Anzahl gemeldeter Masernerkrankungen in den letzten Jahrzehnten denn auch massiv zurückgegangen2:

Masern total

Dieser Rückgang ist durch unterschiedliche Massnahmen erklärbar, z.B. Verbesserungen hygienischer Bedingungen oder auch vermehrte Aufklärungsarbeit. Der wichtigste Faktor bei dem Rückgang von Maserninfektionen sind aber Impfungen. Nur schon ein eher grober Vergleich zwischen der Anzahl Maserninfektionen pro Jahr und der durchschnittlichen weltweiten Impfrate pro Jahr verdeutlicht den Einfluss der Masernimpfung3:

Impfraten und Maserninfektionen

Im Grossen ist das Bild also positiv. Die Anzahl an Maserninfektionen geht stetig zurück, und dieser Rückgang ist zu einem grossen Teil durch Impfungen bedingt4. Mit einer Abnahme der Maserninfektionen geht eine Abnahme der Masernkomplikationen einher. Allerdings ist die Geschichte damit noch nicht abgeschlossen. Masern sind immer noch eine potenziell gefährliche Krankheit; so zeichnen Masern gegenwärtig immer noch für rund 2% aller Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren verantwortlich5. Dass Maserninfektionen nicht einfach universal gleich gesunken sind, deutet sich an, wenn anstatt der Gesamtzahl die Verläufe für einzelne Staaten betrachtet werden:

Masern Länder

Eine solch überladene Grafik ist natürlich nicht im Detail interpretierbar. Aber schon rein visuell ist ansatzweise erkennbar, dass die Anzahl Masernerkrankungen tendenziell sinkt, aber nicht geradlinig. Auch steigen die Zahlen stellenweise wieder. Das eine Land, in welchem die Anzahl Masernerkrankungen zwischen 1980 und 1986 drastisch von ca. 1.1 Millionen auf rund 200’000 gesunken ist, ist China.

Dass die Anzahl Masernerkrankungen nicht universal gleich abnimmt, wird nochmals deutlicher, wenn die Entwicklung der Maserninfektionen für nur wenige Länder betrachtet wird. In der folgenden Grafik sind die Verläufe für die USA, die Schweiz und Deutschland abgebildet (die Lücken in den Linien sind Datenlücken)6:

Masern USA CH DE

In den Jahren 1989 und 1990 ist die Anzahl Maserninfektionen in den USA sprunghaft gestiegen7. Ein grosser Teil dieses Masernzuwachses fand im Bundesstaat Kaliforniern statt (auch Disnelyand ist in Kalifornien). Dieser sprunghafte Anstieg 1989 und 1990 ist ursächlich auf damals tiefe Impfquoten bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zurückzuführen, und obwohl die Ausbrüche in den USA, einem hochentwickelten Land, stattfanden, endeten einige der Maserninfektionen mit dem Tod der Erkrankten8.

Wie kommt es, dass Menschen beschliessen, sich selber oder ihre Kinder nicht impfen zu lassen, auch wenn der Nutzen der Impfung, wie im Falle der Masern, sehr gut dokumentiert ist? Eine einfache Antwort wäre, dass Menschen, die Impfungen ablehnen, schlicht mit zu wenigen sachlichen, wissenschaftlich fundierten Informationen versorgt sind. Das würde bedeuten, dass die betroffenen Menschen grundsätzlich rational Informationen verarbeiten, aber der auf der «Input»-Seite zu wenig gute Inputs erhalten. Es mag Fälle geben, in denen bloss bessere Informationen nötig sind, um die persönliche Einstellung gegenüber Impfungen in Einklang mit der wissenschaftlich-evidenzbasierten Perspektive zu bringen. Aber bei Impfungen im Allgemeinen bei der Masernimpfung im Besonderen gibt es deutliche Hinweise, dass eine impfablehnende Haltung nicht mit der Qualität der verfügbaren Informationen zusammenhängt: Wenn Eltern, welche daran glauben, dass die MMR-Impfung (Masern, Mumps, Rubella) Autismus verursache, Informationen erhalten, in denen sachlich argumentiert wird, dass dieser Zusammenhang nicht besteht, dann steigt die Impfbereitschaft der Eltern nicht9. Wenn der Zugang zu und die Qualität von Informationen das entscheidende Kriterium wären, wäre die MMR-Impfung wohl der klarste Fall, bei dem bessere Informationen in einem Einstellungswandel resultieren sollte – jene Studie von 1998, welche einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus postulierte, ist nachweislich nicht nur falsch, sondern betrügerisch10 11.

Wenn die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher und impfkritischer Haltung also nicht bloss als Informationsdefizit gedeutet werden kann, als was dann? Die These dieses Textes ist, dass das Problem nicht (nur) mangelnde Informationen sind, sondern darüber hinaus auch Denkfehler («kognitive Verzerrungen») und logische Fehlschlüsse. Im Folgenden sind deren neun aufgelistet, welche in der Summe ein Stück weit nachvollziehbar machen, warum eine fundamental impfkritische Haltung für viele Menschen plausibel scheint.

9 – Formale Logikfehler

Formale Logik ist jener Teil der Logik, bei dem es nicht darum geht, ob das, was behauptet wird, inhaltlich wahr ist. Stattdessen geht es ausschliesslich um die Frage, ob eine Schlussfolgerung aus den gegebenen Prämissen ableitbar ist. Im Kontext von Impfkritik ist formale Logik wohl nicht zentral, denn die strittigen Punkte betreffen in aller Regel inhaltliche Fragen und die Art und Weise, wie diese geklärt und interpretiert werden können. Dennoch können auch formale Logikfehler von Bedeutung sein: Wenn Argumente vorgetragen werden, welche formal unzulässig sind, erschwert das die inhaltliche Diskussion.

Ein formaler Fehlschluss, welcher bisweilen von Impfgegnern vorgetragen wird, hat folgende Form (die inhaltliche Wahrheit der Prämissen interessiert an dieser Stelle nicht):

Impfungen verursachen Gebrechen X.
Eine Person hat das Gebrechen X.
Das Gebrechen X bei der Person wurde durch Impfungen verursacht.

Diese Schlussfolgerung sieht – ungeachtet des inhaltlichen Wahrheitsgehaltes der ersten Prämisse – auf den ersten Blick plausibel aus. Wenn Impfungen das Gebrechen X verursachen und eine Person das Gebrechen X hat, müsste klar sein, dass die Impfung das Gebrechen X verursacht hat. Das ist aber ein Trugschluss. Formal korrekt würde die Schlussfolgerung folgendermassen aussehen:

Impfungen verursachen Gebrechen X.
Eine Person wurde geimpft.
Die Person wird Gebrechen X haben.

Der Unterschied zwischen dem formal korrekten und dem formal falschen Argument ist nicht weltbewegend. Die Natur dieses Fehlschlusses wird aber deutlich, wenn wir das Beispiel abändern:

Wenn es regnet, ist die Strasse nass.
Die Strasse ist nass.
Es hat geregnet.

Es ist möglich, dass diese Schlussfolgerung korrekt ist: Wenn die Strasse nass ist, ist eine mögliche Erklärung, dass es geregnet hat. Vielleicht hat aber auch jemand einfach Wasser ausgeschüttet. Bei diesem formalen Fehlschluss folgt die Schlussfolgerung also nicht zwingend aus den Prämissen – das ist die Natur dieses einen formalen Fehlschlusses.

Das Beispiel mit den Impfungen hat potenziell weitreichende Implikationen. Der formal korrekte Schluss ist z.B. die Grundlage für wissenschaftliche Untersuchungen zum Zusammenhang von Autismus und der MMR-Impfung: Wenn die Schlussfolgerung formallogisch korrekt geäussert wird, liegt eine Hypothese vor, welche anschliessend inhaltlich geprüft werden kann. Wenn aber die formallogisch falsche Schlussfolgerung als Ausgangspunkt genommen wird, wird keine prüfbare Hypothese formuliert, sondern ein kausaler Zusammenhang schon im Voraus vermutet: Wenn jemand Autismus hat, sind Impfungen dafür verantwortlich. Diese falsche Schlussfolgerung ist mit den Punkten 7 und 6 verwandt.

8 – Ankerheuristik («Anchoring»-Effekt)

Wir haben alle den subjektiven Eindruck, in der Lage zu sein, neutral und objektiv Informationen aufzunehmen und dadurch unseren Wissensstand zu aktualisieren und, wenn angebracht, unsere Meinungen und Einstellungen anzupassen. Dieser Eindruck täuscht: Wir tendieren dazu, bestimmten Informationen mehr Glaubwürdigkeit und Relevanz zuzusprechen als anderen. Das Kriterium ist dabei nicht etwa die objektive Qualität der Informationen, sondern, viel banaler, die Chronologie der Informationen. Ein bestimmter Effekt sticht dabei besonders heraus: Wir halten besonders an jenen Informationen fest, welche wir als erste erhalten haben. Dieser Denkfehler wird «Ankerheuristik» genannt und gehört zu den besser untersuchten kognitiven Verzerrungen12 13 14 15.

Der Mechanismus der Ankerheuristik bei Impfgegnern gründet im Umstand, dass wir alle im Allgemeinen nicht wirklich viel von Impfungen wissen, sondern diese mehr oder weniger routiniert akzeptieren. Wenn nun Individuen zum ersten Mal aktiv in Kontakt mit Informationen rund um Impfungen kommen, besteht die Möglichkeit, dass diese ersten Informationen unwissenschaftliche Impfkritik beinhalten oder ausschliesslich daraus bestehen. Einerseits kann es sein, dass Freunde und Bekannte, die selber zu Impfgegnern gehören, diese Thematik bilateral ansprechen. Andererseits spielt das Internet eine zentrale Rolle: Online finden sich viele Quellen, wo faktisch falsche Behauptungen rund um Impfungen gemacht werden16 17 18 19.

Die Ankerheuristig ist ein allgemeiner Denkfehler, von dem wir alle betroffen sind, und wie bei allen Denkfehlern ist einige Anstrengung von Nöten, um ihn zu überwinden. Eine präventive Massnahme wäre aber, dass versucht wird, aktiver sachlich-wissenschaftliche Informationen über Impfungen zu verbreiten20 – wenn wir um die Ankerheuristig wissen, ist es sinnvoll, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die erste Information, welche wahrgenommen wird, eine wissenschaftlich-sachliche ist.

7 – Bestätigungsfehler («Confirmation Bias»)

Idealerweise würden wir immer sehr neutral und sachlich prüfen, ob unsere Ideen, unsere Hypothesen, durch die verfügbaren Informationen und Daten gestützt werden oder nicht. Im Alltag würde uns ein solches Vorgehen aber überfordern oder, im Mindesten, einiges an Anstrengung kosten. Darum tendieren wir zu einem verzerrten Kurzschluss-Verfahren: Jene Ideen und Hypothesen, welche wir schon im Kopf haben, wollen wir automatisch eher als bestätigt sehen; auch, wenn die Informations- und Datenlage dagegen spricht – wir üben uns fast permanent in einem sogenannten Bestätigungsfehler21 22.

Es ist einfach, nachzuvollziehen, warum der Bestätigungsfehler bei Impfgegnern relevant ist: Eine impfkritische Haltung ist meistens keine spontane Einstellung, sondern beruht auf einer verhältnismässig hohen sowohl zeitlichen als auch kognitiven Investition. Eine Idee, in welche viel Ressourcen investiert werden, wird dadurch entsprechend anfällig für den Bestätigungsfehler. Zum Besätigungsfehler kommen auch noch zwei weitere Phänomene. Einerseits haben wir das Bedürfnis, sogenannte «kognitive Dissonanzen»23 zu tilgen: Ideen, die zu einander im Widerspruch stehen, bereiten uns Unbehagen, und dieses Unbehagen wollen wir aus der Welt schaffen. Das Tilgen der kognitiven Dissonanzen erfolgt dabei nicht immer rational. Wir bedienen uns stattdessen beispielswese des Mechanismus des «motivierten Denkens»24: Es fällt uns deutlich leichter, das, woran wir glauben wollen, bestätigt zu sehen, als alternative Erklärungen ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Der Bestätigungsfehler ist insgesamt also ein gewichtiges Problem: Je intensiver die impfkritische Überzeung bei einer Person, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die betroffene Person für rationale Argumente aufnahmefähig ist.

6 – Anekdotisches Denken

Impfgegner lehnen Argumente, welche auf Daten rekurrieren, nicht prinzipiell ab. Im Gegenteil: Tendenziell investieren Impfgegner viel Zeit in die Suche nach und die Interpretation von Daten rund um Impfungen. Das Problem ist, dass Impfgegner zu wenig systematisch und zu wenig rigoros ihre Daten selektieren.

Die Art und Weise, wie Daten erhoben werden, ist nicht immer gleich valide und gleich reliabel25. Manchmal zeigen die erhobenen Daten nicht das, was sie eigentlich zeigen sollen. Wenn wir die Uhrzeit erfahren wollen und dafür auf ein Thermometer schauen, werden die Daten nicht das zeigen, was uns eigentlich interessiert. Manchmal ist die Methode, um Daten zu erheben, nicht sehr zuverlässig. Wenn wir die Uhrzeit erfahren wollen und dafür auf eine defekte Uhr schauen, erhalten wir zwei Mal am Tag korrekte Daten, aber ansonsten nur falsche; eine defekte Uhr ist nicht sehr zuverlässig.

Impfgegner verlassen sich oft auf Daten, welche maximal tiefe Validität und Reliabilität haben – sie verlassen sich auf Anekdoten26 27. Anekdoten, also Einzelereignisse, sind ein sehr gut formbares Material, aus welchem sich ein Narrativ nach dem eigenen Gusto stricken lässt. In Kombination mit den Punkten 10 (formale Logikfehler) und 8 (Bestätigungsfehler) können Einzelfälle in der eigenen Interpretation immer aufzeigen, was aufgezeigt werden soll.

Anekdotisches Denken ist vermutlich kein universaler Denkfehler, denn generell scheinen wir statistischen Daten mehr Glaubwürdigkeit als anekdotischen Daten zu schenken28 29. In Gesundheitsfragen ist dieser Effekt aber offenbar ein umgekehrter30, so auch bei Impfungen31. Die Kraft der Anekdote in Fragen von Medizin und Gesundheit ist derart stark, dass es sogar (für sich genommen sehr problematische) Empfehlungen gibt, evidenzbasierte Medizin stärker narrativ, also stärker über Anekdoten zu erklären32.

5 – Illusorische Korrelation

Im vorhergehenden Punkt 5 ist die Problematik der Anekdoten erwähnt. Anekdoten verleiten uns dazu, kausale Zusammenhänge zu sehen, wo lediglich Korrelationen zu finden sind – Ereignisse treten miteinander oder nacheinander auf. Diese Problematik wird duch einen weiteren Denkfehler ergänzt: In Tat und Wahrheit bilden wir uns oft nur ein, es gebe die vermeintlichen Korrelationen33 34.

Illusorische Korrelationen spielen auch bei Impfgegnern eine Rolle35. Wenn die impfkritische Überzeugung sehr ausgeprägt und das anekdotische Denken stark verinnerlicht ist, hat der Bestätigungsfehler (Punkt 8) freie Bahn. Vermeintliche Korrelationen werden dann überall dort wahrgenommen, wo die eigene Einstellung bestätigt wird – der eigenen Einstellung zuwiderlaufende Zusammenhänge werden dagegen systematisch ausgeblendet.

4 – Verzerrte Risikowahrnehmung

«Risiko» ist ein Konzept, das wir im Alltag explizit oder implizit oft verwenden. Rein objektiv gesehen bedeutet Risiko so viel wie die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines (unerwünschten) Ereignisses kombiniert mit dem Ausmass der Folgen des Ereignisses. Mit dieser sehr simplen Auffassung ist es möglich – so eine Datengrundlage besteht – Risiken zu berechnen oder zumindest abzuschätzen. Wenn wir etwa wissen, wie viele Flugzeugabstürze es im Durchschnitt der letzten Jahre gab und, wie viele Tote und Verletzte es im Schnitt pro Flugzeugabsturz gab, lässt sich das Risiko von Reisen im Flugzeug berechnen und beispielsweise mit dem Risiko anderer Reisemethoden vergleichen.

Wir sind aber subjektiv sehr weit entfernt von einer solchen trockenen Risikoeinschätzung36. Wir sind keine neutralen Rechenmaschinen, die die ganze Fülle möglicher Risiken objektiv zu berechnen versuchen. Wir nehmen die Welt einerseits über unseren begrenzten und fehleranfälligen Sinnesapparat wahr, und andererseits über den kommunikativen Austausch mit anderen Menschen und über die Rezeption von Massenmedien. Das führt dazu, dass wir praktisch immer Risiken unterschätzen oder überschätzen; jene, die wir überschätzen, überschätzen wir, weil sie im Zuge unserer sozialen Wahrnehmung einen Prozess der Verstärkung durchmachen37.

Impfgegner erleben eine bestimmte subjektive und soziale Realität, in welcher dieser Verstärkungsprozess die Risiken von Impfungen betrifft. Impfungen sind ein medizinischer Eingriff und als solcher risikobehaftet. Impfgegner überschätzen allerdings die Risiken von Impfungen und unterschätzen den Nutzen38 39 40 41. Diese verzerrte Risikowahrnehmung kann z.B. durch impfkritische Webseiten gefördert werden42, und die wahrgenommennen Risiken schlagen sich in entsprechend tieferer Impfbereitschaft nieder43. Zudem besteht eine Verknüpfung zu Punkt 7: Anekdoten scheinen die Risikowahrnehmung von Impfungen stärker zu beeinflussen als Statistiken44.

3 – Dunning-Kruger-Effekt

Wir alle haben Hobbies, Freizeitbeschäftigungen, mehr oder minder flüchtige Interessen. Das sind in der Regel Dinge und Bereiche, in denen wir uns einerseits ein bisschen besser auskennen als Leute, die damit gar nichts zu tun haben. Andererseits haben wir aber auch keine wirklich vertiefte Expertise – irrationalerweise neigen wir aber dazu, uns einzubilden, dass unsere Expertise umfangreicher ist, als sie in Tat und Wahrheit ist.

Dieser Denkfehler trägt den Namen «Dunning-Kruger-Effekt» nach den zwei Autoren, welche diese verzerrte Selbsteinschätzung beschrieben haben45. In Anbetracht der vorhergehenden Punkte ist es einfach, nachzuvollziehen, warum der Dunning-Kruger-Effekt bei Impfgegnern ein relevanter Faktor ist. Impfgegner investieren in der Regel nicht unerhebliche kognitive und sonstige Ressourcen in das Thema Impfungen. In Kombination mit anderen Denk- und Logikfehlern kann diese intensive Zuwendung zum Thema zu der Selbsteinschätzung verleiten, die eigene Kompetenz bei der Thematik sei sehr hoch, obwohl das objektive Wissen und die objektiven Argumente von weniger hoher Güte sind46.

2 – Verschwörungstheorien

Impfkritische Einstellungen werden durch gute Anektoden, durch gute Narrative befeuert. Diese Narrative bestehen nicht nur aus einer Menge individueller Leidensgeschichten, die zu einer impfablehnenden Haltung motivieren. All die individuellen Anekdoten und Ängste werden zu einer grossen Geschichte verwoben. Impfungen werden nicht nur abgelehnt, weil sie zu riskant sind oder weil sie zu schlecht wirken. Hinter Impfungen stehen nämlich gewisse mächtige Akteure, und diese Akteure wissen um die Gefahren von Impfungen – sie setzen die Bevölkerung bewusst diesen Gefahren aus, um unlautere Ziele zu verfolgen. Das übergeordnete Narrativ impfkritischer Einstellungen sind oft Verschwörungstheorien47 48 49 50 51 52 53.

Verschwörungstheorien sind Erklärungen für schlimme, schockierende Ereignisse. Für diese Ereignisse sollen boshafte, ruchlose und schier unendlich mächtige Personen oder Organisationen verantwortlich zeichnen, die bemüht sind, ihre Untaten zu verdecken54. Impfungen werden in einer verschwörungstheoretischen Lesart als kriminelle Machenschaft aufgefasst, denn weltweit werden unschuldige Menschen Gefahren ausgesetzt oder gar wissentlich vergiftet, nur damit die Akteure, welche im Hintergrund die Fäden ziehen, ihre finanzielle und sonstige Macht erhalten und erweitern können.

Verschwörungstheorien haben in erster Linie den Zweck, Erklärungen für Ereignisse zu liefern. Sie haben aber auch eine wichtige indirekte Funktion: Jene, die die Verschwörung erkannt haben, gehören zu den «Guten» – und die Gegenseite, die korrupten und kriminellen, skrupellosen und unmoralischen Eliten, sind die «Bösen». Verschwörungstheorien decken damit ein fundamentales Bedürfnis ab: Sie stiften über Gruppenzugehörigkeit Identität, und diese Identität besteht zu grossen Teilen in der Abgrenzung von anderen Gruppen, die als schlecht angesehen werden55 56 57 58. Dieser Abgrenzungsmechanismus zwischen Gruppen kann soweit gehen, dass über Gefühle wie Abscheu, Wut, Hass und dergleichen den Mitgliedern der anderen Gruppe oder Gruppen ein Stück weit ihre Menschlichkeit abgesprochen wird59 60 61.

1 – Zurück zur Natur («Appeal to nature»)

Unser aller Alltag ist durch die Errungenschaften von Wissenschaft, oder allgemeiner, durch die Früchte zivilisatorischen Fortschrittes geprägt. Die meisten dieser Früchte der Moderne begrüssen die meisten von uns, denn gegen Dinge wie technologischen Fortschritt sträubt sich im Grunde niemand. Aber dieser zeitgenössiche Lebensstil weckt auch bestimmte Sehnsüchte: Wir fragen uns, ob es gut ist, dass wir so wenig Bezug haben zu jenem Teil der Welt, der noch frei von menschlichem Einfluss ist. Wir haben also gewisse Bedenken, den Bezug zur Natur zu verlieren.

«Natur» mit uns Menschen bzw. mit unserer Gesellschaft zu kontrastieren, ist auf einer gewissen Ebene unschlüssig. Wir Menschen sind Tiere, die über evolutionäre Vorgänge entstanden sind, so, wie alle anderen Lebewesen auf der Erde auch. In diesem Sinne sind wir natürlich Teil der Natur und jedes menschliche Handeln ist «natürlich». Trotzdem kann unterschieden werden zwischen jenem Teil der Welt, welcher ohne menschliches Zutun zustandegekommen ist, und unseren menschlichen Handlungen sowie ihren Folgen. Hier schwingt zumindest auf narrativer Ebene durchaus ein gewisser Antagonismus mit: Wir Menschen sind die einzige Spezies auf dem Planeten, die prinzipiell in der Lage ist, bewusst alles Leben auf dem Planeten zu beenden. Es ist darum nachvollziehbar, dass wir uns intuitiv fragen, ob das, was wir Menschen machen, kompatibel mit der Natur ist, und, dass wir uns danach sehnen, unser Leben in Einklang mit der Natur zu leben.

Intuition und Sehnsucht sind aber nicht immer die besten Helfer. Unser zwiespältiges Verhältnis zur Natur kann einerseits durchaus Triebfeder für sinnvolle Überlegungen sein, wie zum Beispiel die Frage, wie wir unsere kollektive Existenz nachhaltig gestalten können. Andererseits kann unser zwiespältiges Verhältnis zur Natur auch zu irrationalen Schlussfolgerungen führen. Der Spitzenplatz dieser irrationalen Schlussfolgerungen ist die Annahme, dass etwas automatisch dann besser und wünschenswerter ist, wenn es natürlich ist.

Alles, was wir über die Welt wissen, deutet klar in eine Richtung: Hinter der Natur, oder allgemeiner, hinter dem Universum steht kein «Telos», kein in irgendeiner Art vorbestimmtes oder gesteuertes grosses Ziel. Das Universum ist uns Menschen in keiner Art wohlgesinnt, wie es auch allen anderen Dingen innerhalb des Universums auch in keiner Art wohlgesinnt ist. Das bedeutet nicht, dass alles, was natürlich ist, schlecht für uns ist – aber das bedeutet eben auch, dass nicht alles, was wir Menschen nicht einfach der Natur überlassen, sondern aktiv selber beeinflussen und steuern, schlecht ist. Dieser bedeutende Fehlschluss, dass etwas schlecht ist, weil es unnatürlich ist, ist ein zentraler Bestandteil impfkritischer Argumentation62 63 64 65 66 67. Dieser Fehlschluss bei Impfgegnern ist so alt wie Impfungen selber68 69.

Mit einem solchen Verständnis werden dabei nicht nur Impfungen als etwas Unnatürliches angesehen, sondern die Infektionskrankheiten, welche dank Impfungen verhindert werden, werden als natürlich und darum als «gut» verstanden. Wenn die Natur bestimmt hat, dass wir unser natürliches Immunsystem haben und, dass es diese natürlichen Krankheiten gibt, dann ist es fast eine Art Hybris, dass wir Menschen mit unseren künstlichen Eingriffen der Natur ins Handwerk pfuschen. Wer den Fehlschluss macht, dass etwas gut sei, nur, weil es natürlich ist, kommt nicht umhin, der Natur ein solches prinzipielles Wohlwollen zu unterstellen, und damit «die Natur» mit der Eigenschaft eines handelnden Akteurs zu versehen.

Es ist zutiefst menschlich, gegenüber «unnatürlichen» Eingriffen und Handlungen, zu denen auch Impfungen gehören, intuitiv Bedenken zu haben. Diese Bedenken aber in Form von Fehlschlüssen zu de facto-Glaubenssätzen zu zementieren, ist irrational. Zielführender ist es, so eivdenzbasiert wie möglich abzuschätzen, was die Folgen eines unnatürlichen Eingriffes sind und was die Folgen eines natürlichen Verlaufes – vielleicht in keiner Frage ist das Ergebnis dieser Abwägung so deutlich wie bei Impfungen.

Mit Dank an Marc Sele für seine Inputs zu diesem Beitrag.

Quellen und Fussnoten

Autor

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  3. Datenquellen: WHO (Link: http://apps.who.int/immunization_monitoring/globalsummary/timeseries/tswucoveragemcv.html []
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40 Comments on “Die Top 9 Denkfehler und Fehlschlüsse von Impfgegnern”

  1. Danke für den guten Kommentar und die Zusammenfassung!
    Meine Erfahrungen mit Impfgegnern und mit meinem eigenen Vorgehen um derartige Vorwürfe objektiv zu durchleuchten passen gut zu den aufgeführten Punkten!

  2. Danke, sehr schön aufgezeigt! Jedoch denke ich dass der aller zentralste Punkt gar nicht aufgegriffen wurde. „Base rate neglect“. Der wiegt wahrscheinlich schwerer als alle oben genannten Effekte. Dies bezeichnet die Unfähigkeit ein Ereignis quantitativ einzuordnen und daraus die Warscheinlichkeit in Bezug zu anderen Events zu erfassen. Kleines Beispiel: 10 Mio Menschen lassen sich gegen Erreger X impfen. Wir betrachten einen Zeitraum von 10 Jahren, also 520 Wochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person also innerhalb eines bestimmten Zeitraums von 2 Wochen innerhalb der zehn Jahre impfen lässt ist 1:260 oder 0.38%, betrifft also 38000 der gesamthaft 10 Mio Personen. Jetzt betrachten wir eine Krankheit Y die mit einer Inzidenz von 1:500 auftaucht innerhalb dieser 10 Jahre. (38000/500) Demzufolge werden 76 Leute rein per Zufall die Krankheit innerhalb der zwei Wochen nach der Impfung bekommen. Die Impfgegner werden dann natürlich diese Fälle zusammentragen, sammeln und dann mit ihrem Dossier herumwedeln, welches einen eindeutigen Zusammenhang von Impfung gegen Erreger X mit Krankheit Y aufzeigt. Vgl, HPV Impfung und MS. Ich würde dies noch in die Liste aufnehmen, dann hast du auch gleich eine Top Ten… 🙂

    1. Das ist ein sehr guter Hinweis!

      Könnte man vielleicht sagen, dass der Base Rate Neglect einer der latenten Gründe für anekdotisches Denken und für verzerrte Risikowahrnehmung ist?

      1. Hi Marko, ja auf jeden Fall. Da durch Sammlung von Einzelfällen der Eindruck einer robusten Korrelation zwischen Impfung und Impfschaden entsteht, scheint mir dies ein guter Nährboden für verzerrte Risikowahrnehmung. Umso mehr weil diese gesammelten Einzelfälle ständig in einschlägigen Foren geposted werden. Dabei wird nicht ersichtlich, dass es sich hierbei oftmals überlappende Fälle handelt und bei oberflächlicher Betrachtung ohne eingehender Recherche bläst sich so die Anzahl der Fälle in den Köpfen der Leser ungerechtfertigter Weise auf. Nochmals zum Thema HPV-Impfung und MS. Da werden ständig immer wieder die gleichen paar Fälle kolportiert welche aus allen möglichen Ländern zusammengekratzt werden.

        Das anekdotische Denken finde ich schwierig zu beurteilen. Es ist halt einfach bequem, Einzelschicksale sind oft emotional aufgeladen und daher sehr salient, Statistiken nicht, deshalb glauben viele eher der Anekdote. Speziell wenn mehrere davon gehört werden, dann sind es keine Einzelfälle mehr und eine Generalisierung scheint gerechtfertigter. Umso mehr wenn es den Freund eines Freundes eines Freundes betrifft. Wenn also in so naher Umgebung ein Fall existiert dann müsste es logischerweise viele solcher Fälle geben. Damit schliesst sich der Kreis zur verzerrten Risikowahrnehmung wieder.

  3. Die zweite Grafik mit Durchschnittlicher Impfrate pro Land und Infektionen auf der Y-Achse hat entweder eine falsche Achsenbeschriftung oder nicht, aber dann ist sie sinnlos.

    Wenn Deutschland und Luxemburg eine Impfrate von 70% hätten, dann würde man nicht einfach wissen wollen, wieviele Millionen Infektionen (pro Jahr?) es gibt – ohne die Information wie groß die Bevölkerung ist wäre das ohne Aussagekraft, da ja auch die Punkte nur Punkte sind, und man nicht erkennen kann, wieviele Millionen Einwohner das Land überhaupt hat oder welcher Punkt welches Land darstellt.

    Man möchte wissen wie viele Infektionen auf 1000 oder eine Millionen Bürger kommen, nicht die absolute Zahl der Infektionen.

    1. Warum ist die Grafik sinnlos?

      Beide Achsen sind aggregierte Daten: Wie viele gemeldete Maserninfektionen gab es weltweit pro Jahr und, wie hoch ist die durchschnittliche Impfrate weltweit pro Jahr. Wie im Text erwähnt ist das natürlich nur ein sehr grobes Mass – aber auch schon ein derart grobes Mass deutet auf einen Zusammenhang zwischen den zwei Werten.

  4. Angenommen 2 Länder, Deutschland und Luxemburg, mit geschätzt/gerundet 80 Mio. Einwohnern und 1.6 Mio. Einwohnern, also das eine Land mit dem 50fachen des anderen, aber beide hätten eine ähnliche Impfrate von – sagen wir mal 75%.

    Dann würde ich im größeren Land auch etwa das 50fache an Infektionen erwarten – Sie nicht?

    Die Abweichung in der Vertikalen beträgt aber maximal das 2-fache. Sind nur Länder mit ähnlicher Bevölkerungszahl für die Grafik ausgewählt worden? Ich sehe ca. 30 Datenpunkte. Wieso nur 30? Nach welchem Kriterium wurden die ausgewählt?

    Und dann erscheint mir noch die absolute Zahl sehr hoch. Ein Minimum von 250.000 Maserninfektionen (pro Jahr?).

    Ach – Jetzt sehe ich das Problem.
    Es sind die Infektionen weltweit und die Impfrate weltweit – nur in unterschiedlichen Jahren. Das macht Sinn! Aber die horizontale Achse ist beschriftet mit „Durchschnittliche Impfrate pro Land“ – ich habe jeden Datenpunkt als unterschiedliches Land aufgefasst. Die Beschriftung muss lauten „weltweite Impfrate pro Jahr“.
    Insofern es sich um eine Rate handelt ist die Erwähnung eines Durchschnitts wohl redundant, außer es wäre, wie die Beschriftung suggeriert, tatsächlich der Durchschnitt über die Länder gebildet worden ohne diese nach Einwohnerzahl zu gewichten. Das wäre aber auch ein methodischer Fehler.

    1. „Die Beschriftung muss lauten…“; „Das wäre aber auch ein methodischer Fehler.“

      Es gibt noch einen anderen Bias, dem wir alle gerne unterliegen – der Overconfidence Bias. Das erschwert manchmal die Diskussion, z.B., weil man in Dichotomien denkt und sich den den Confirmation Bias verrennt.

      – Die Verteilung der Korrelations-Lags deutet darauf hin, dass die Korrelation mit den Daten, so, wie sie verwendet wurden, nicht komplett zufällig ist.

      – Gewichtung: Ja, natürlich, die Bevölkerungszahlen variieren über die Länder und über die Zeit (d.h., auch hier liegt wie bei den Daten zu Impfraten und Infektionen eine Panel-Struktur vor). Gibt es für eine aggregierte Betrachtung gute Lösungen? Es wäre methodisch nicht wirklich sauber, die Weltbevölkerung zu einer Population zu poolen und dann Kennwerte für gepoolte Impfraten zu generieren (alle Länder zu poolen würde implizieren, die Verhältnisse von Geimpften zu Ungeimpften seien im gepoolten Datensatz zufällig verteilt, was empirisch offensichtlich nicht zutrifft, denn einzelne Länder haben sehr unterschiedliche Impfraten und also sehr unterschiedliche Bedingungen für die Ausbreitung von Maserninfektionen). Das, was in der Grafik abgedildet ist, ist, erstens, eine Annäherung, und zweitens eine Annäherung, welche zum Ziel hat, nur so problematisch wie nötig zu sein. Wenn man einfach die jährlichen Impfraten für alle Länder zu einem Durchschnitt verrechnet (wie in der obigen Grafik), besteht in der Tat die Gefahr, dass grosse Länder wie China eine enorme Reduktion der Infektionen erzielen, die weltweite durchschnittliche Impfrate aber kaum steigt. Dieses mögliche Problem wird aber, wie erwähnt, durch eine zusätzliche Aggregierung nicht gelöst, sondern eher noch verschärft.

      – Interessant wäre es durchaus, die durchschnittliche Impfrate mit der durchschnittlichen Inzidenz (analog zur durchschnittlichen Impfrate berechnet) über die Zeit zu vergleichen. Allerdings wäre es dann wohl auch nötig, z.B. Bevölkerungsdichte mitzuerheben. Wenn Sie diese Daten zusammentragen können, ergänze ich den Text gerne.

      – Eine vertiefte Analyse der vorhandenen Daten ist z.B. mittels Panel-Modellen möglich, wo man dann die Zusammenhänge zwischen Impfraten und Infektionen (ohne Informationsverlust durch Aggregierung) mittels, z.B., TSCS-, Fixed Effects- und Random Effects-Modellen schätzen und vergleichen kann. Das produziert detaillierte Ergebnisse, aber keine schönen Visualisierungen.

      Grüsse

  5. Pingback: Neues von der Anti-Impf-Front: „Öko-Mütter rotten Berlin aus“ @ gwup | die skeptiker

  6. Hallo,

    bei 7: „Jene Ideen und Hypothesen, welche wir schon im Kopf haben, wollen wir automatisch eher als betätigt sind; “ – soll das nicht „bestätigt sehen“ statt „betätigt sind“ lauten oder fehlt ein Wort? Oder verlese ich mich nur dauernd?

    1. Hallo Julian

      Doch doch, das ist ein komischer Tippfehler – vielen Dank für den Hinweis!

  7. Pingback: Markierungen 02/16/2015 - Snippets

  8. Hallo – die prinzipielle Stossrichtung des Artikels stark lobend, möchte dennoch anmerken, dass der Dunning-Kruger-Effekt nicht die bloße Selbstüberschätzung meint (etwa infolge intensiver, aber unmethodischer oder einseitiger Beschäftigung mit einem Thema), sondern die Selbstüberschätzung *infolge* des eigenen Unvermögens. Der Effekt sagt m.W., dass die selbe Unkenntnis, die in der Sache herrscht, auch der Einschätzung der eigenen Kompetenz zugrunde liegt. M.a.W.: Der Effekt tritt eigentlich nur bei solchen auf, die am unteren Ende der Wissens- und Kompetenz-Skala liegen. Der hier gemeinte Effekt ist jedoch anders gelagert. Er zielt auf eine Vereinseitigung des Fachwissens – auf nämlich die Argumente der Kritiker – und den anfolgenden Trugschluss, dieses Wissen für erschöpfend oder zumindest wesentlich in der Sache anzusehen. Der kognitive Fehler liegt darin, die Argumente der Kritiker für das notwendige Wissen zu erachten, um in der Sache kompetent zu urteilen. Die Überschätzung des eigenen Wissens folgt hier also nicht aus der prinzipiellen Unfähigkeit, sich einzuordnen, sondern aus der Vermengung von Sach- und Werturteilen. Impfkritisches Wissen gilt als wertvoll, wahr, widerspruchsfrei etc.; das impfaffirmative Wissen gilt hingegen als minderwertig, unzulänglich, falsch – und also nicht wissenswert. Auch wenn in der Folge in beiden Fällen ein krasses Missverhältnis von Eigen- und Fremdeinschätzung entsteht, sind die Mechanismen und Denkfehler recht verschieden; und darum, diese aufzudecken, geht es in dem Artikel ja.

    1. Hallo Ina

      Vielen Dank für den Input!

      Wir meinen schon beide dasselbe mit dem Dunning-Kruger-Effekt, denke ich. Die Verwirrung kommt vielleicht u.a. darum zustande, weil ich das Problem so wohlwollend wie möglich zu beschreiben versuche. Eine kleine Bemerkung: Der Dunning-Kruger-Effekt zeigt genau genommen – das scheint mir wichtig – nicht, dass Selbstüberschätzung kausal verursacht wird durch einen Mangel an Kompetenz; beobachtbar ist lediglich, dass diese zwei Dinge miteinander einhergehen und möglichwerweise auf bestimmte latente Mechanismen zurückzuführen sind.

      Es ist in der Tat so, dass der „Original“-Dunning-Kruger-Effekt eine viel stärkere Selbstüberschätzung der am wenigsten kompetenten Gruppe aufzeigte als die Selbstunterschätzung der besten Gruppe. Das würde im Impfkotext bedeuten: Impfgegner sind, objektiv gesehen, sachlich schlecht informiert (und kommen zu anderen Schlussfolgerungen), aber sie schätzen ihr Wissen höher ein, als es wirklich ist.

      Du führst eine zweite Differenzierung ein: Impfgegner erachten nur einen Teil der Argumente als überhaupt relevant. Ich weiss aber nicht, ob diese Differenzierung komplett vom Dunning-Kruger-Effekt losgelöst sein muss. So heisst es im Original-Paper:
      Not only do they reach mistaken conclusions and make regrettable errors, but their incompetence robs them of the ability to realize it.
      Diese „ability to realize it“ nennen die Autoren „metacognitive skills“ – und der Mangel an diesen metakognitiven Fähigkeiten könnte auch das Unvermögen bzw. die Unwilligkeit, die eigene Kompetenzeinschätzung (spezifisch: sind wissenschaftliche Argumente wirklich pauschal schlecht, wie ich glaube?) zu hinterfragen, miterklären.

      Was denkst du?

  9. Lieber Marko, ich glaube tatsächlich, dass es sich um zwei unterscheidbare Phänomene handelt. Der Dunning-Kruger-Effekt, um es zunächst einmal sehr versimpelt auszudrücken, ist ein Dummheits-Effekt. Er konstatiert, dass mit der Unkenntnis einer Sache auch die Unkenntnis über die eigene Leistungsfähigkeit in der Sache einher geht. Ob korrelativ oder kausal, sei einmal hintan gestellt. Wichtig ist dieser Zusammenhang zwischen Dummheit und Unvermögen zur Selbsteinschätzung. (Dummheit sei hier eher im Sinne von Unkenntnis, Mangel an Erfahrung, Inkompetenz etc. verwendet, denn als Bezeichnung einer generell vorhandenen kognitiven Schwäche, die allerdings auch nicht ausgeschlossen werden soll).

    Im Gegensatz dazu, meine ich, wird das Denken – und die Selbsteinschätzung – der Impfgegner ideologisch und damit zu einem geiwssen Grad irrational geleitet. Man könnte nun Ideologie – als Form des Irrationonalen – als eine Form der Dummheit abtun. Ich meine, das mindert die Genauigkeit der Beschreibung. Ich würde zwischen Dummheit im Sinne des Dunning-Kruger-Effekts (Unkenntnis etc.) und Dummheit im Sinne von Ideologie unterscheiden. Im ideologischen Denken – das im Übrigen stets alle Menschen im Griff hält und dem sich keinesfalls entkommen lässt – spielt, wie schon vorher gesagt, das muntere Durcheinanderwerfen von Wert- und Sachurteilen die Hauptrolle. Ideologisch geleitete Personen können in der Tat hoch gebildet sein (im Gegensatz zu Dunning-Kruger-Kandidaten), sie denken eben nur von einer Seite her, bzw. wichten die Argumente so, wie es ihnen frommt. Daher wird ein Aussenstehender der Meinung sein, der Betreffende sei nicht gut informiert, obwohl dieser durchaus zB. wissen könnte, wie Impfungen T- und B-Lymphozyten (Gedächtniszellen) generieren etc. – aber diesem Wissen keine argumentative Kraft beimisst.

    Ich finde deshalb, gerade wenn man, wie Du sagst, eine nicht-unterstellende, wohlwollende Argumentation anstrebt, nicht den Dunning-Kruger-Effekt als ausschlaggebend für die Nicht-Übereinstimmung von Selbst- und Fremdeinschätzung der eigenen Kompetenz der Impfgegner anzunehmen, sondern eben die Ideologieverseuchtheit ihres Wissens. Dafür sprechen auch andere Eigenheiten ihres Denkens (Geschlossenheit des Weltbildes, a-priori-Gewissheit bzw. Feindschaft gegenüber Zweifeln, Monokausalität etc.). Wie Du es ja richtig beschreibst: Aus dem Wissen um viele anekdotische Fälle, aus der vermeintlichen Kenntnis von Verschwörungszusammenhängen usw. – aus der Kenntnis und mitunter jahrelangen Beschäftigung mit derlei Dingen, folgt die falsche Einbildung, in der Sache Bescheid zu wissen und kompetent zu sein. Nicht daraus (wie bei Dunning-Kruger), ohnehin von nix eine Ahnung zu haben (inklusive der eigenen Skills).

    Ich erachte im Übrigen als Aufgabe der Wissenschaft, die Impfgegner – wo sie interessante Argumente bringen oder rätselhafte Anekdoten – diesen Dingen nachzugehen. Das ist der Unterschied zum ideologiegeleiteten Weltbild, offen zu bleiben für Zweifel und Diskussion. Es gibt genügend unverstandene Details beim der erworbenen Immunität. Bei Dunning-Kruger-Patienten wäre die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung nicht im selben Masse gegeben; mit idiotischen Anwürfen muss man sich nicht auseinander setzen. D.h. auch im Sinne der Sachlichkeit und Wissenschaftlichkeit wäre geboten, hier nicht unbedingt von Dunning-Kruger auszugehen. Not?

    1. Hallo Ina

      Danke für deine ausführliche Replik!

      Ich muss dir allerdings energisch in deiner Grundannahme widersprechen: Nichts, was mir aus der relevanten Literatur bekannt ist, deutet in irgendeiner Weise darauf hin, dass der Dunning-Kruger-Effekt etwas mit „Dummheit“ zu tun hat. Ganz im Gegenteil – sogar in der Originalstudie von 1999 ist einer der Befunde, dass bewusstes Üben den Effekt tilgt. Hast du Quellen, wo der Dunning-Kruger-Effekt mit Dummheit in Verbindung gebracht wird?
      Auch geht es beim Dunning-Kruger-Effekt nicht darum, ob jemand im Allgemeinen hoch oder tief gebildet ist, sondern nur darum, über welches Mass an Kompetenz jemand in einer bestimmten Frage verfügt.

      Leider gehst du nicht auf das Phänomen der metakognitiven Fähigkeiten ein. Das scheint mir nach wir vor wichtig im Kontext deines Argumentes, denn ein unbedingter Glaube an die eigene Einschätzung bedeutet eine Abwesenheit (bzw. Nicht-Nutzung) solcher metakognitiven Fähigkeiten. Metakognitive Fähigkeiten sind ein zentrales Konzept beim Dunning-Kruger-Effekt:

      In short, incompetence means that people cannot successfully complete the task of metacognition, which, among its many meanings, refers to the ability to evaluate responses as correct or incorrect.
      (Dunning, D., Johnson, K., Ehrlinger, J., & Kruger, J. (2003). Why People Fail to Recognize Their Own Incompetence. Current Directions in Psychological Science, 12(3), 83–87. doi:10.1111/1467-8721.01235)

      If a lack of skill leads to an inability to evaluate the quality of one’s performances, one means of improving metacognitive ability—and thus self-insight—is to improve one’s level of skill.
      (Ehrlinger, J., Johnson, K., Banner, M., Dunning, D., & Kruger, J. (2008). Why the unskilled are unaware: Further explorations of (absent) self-insight among the incompetent. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 105(1), 98–121. doi:10.1016/j.obhdp.2007.05.002)

      Lieber Gruss

  10. Lieber Marko, ich glaube, Du verstehst mich – obwohl ich gerade versucht habe, in dem deutlich zu werden, gerade im entscheidenden Punkt miß. Ich habe geschrieben, Dummheit .- die ja ein vielbedeutendes Wort ist – meine in dem besprochenen Zusammenhang gerade „Unkenntnis, Mangel an Erfahrung, Inkompetenz etc.“ und *nicht* „kognitive Schwäche“. Damit befinde ich mich voll auf der Linie dessen, was Du als Zitat-Beleg bringst und dort zB. „lack of skill“ genannt wird.

    Nun: Es ist nicht „lack of skill“, das die Impfgegner dazu verleitet, ihre Kenntnisse in der Sache falsch einzuschätzen. Ich will das nicht ausschliessen, aber es ist eine Unterstellung und gerade nicht im Geiste des von Dir angestrebten „Wohlwollens“.

    Den Grund für die Dissonanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung der Impfgegner wähne ich eher in der ideologischen Beschaffenheit ihrer „skills“. Das ist ein Unterschied zur Abwesenheit von Skills. Um diesen Unterschied geht es mir.

    Natürlich mutmasse ich nur. Ich habe keine empirische Datenlage über die „skills“ von Impfgegnern. Möglicherweise sind unter Ihnen auch einige mit „lack of skills“. Ich kapriziere mich – zugegebenermassen – auf jene, die eben viel (selektives) Wissen über die schlimmen Folgen des Impfens zusammengetragen haben und erheblich Energie und Zeit dafür aufgewandt haben. Für diese, behaupte ich, trifft Dunning-Kruger nicht zu.

    Nun ist es eben, dass Du genau diese – nennen wir sie „biased skilled“ people – als Beispiel für Dunning-Kruger bringst (“ Impfgegner investieren in der Regel nicht unerhebliche kognitive … Ressourcen in das Thema Impfungen.“) Das kritisiere ich. Ist es nun verständlicher?

    Man erkennt den Unterschied auch, wenn man den Ausweg betrachtet, den Ehrlinger et al vorschlagen: „to improve one’s level of skill“. Im Fall von Dunning-Kruger hülfe das, im Fall von „biased skilled“ nicht. Denn egal, wieviel eine „biased skilled“ Person über das Impfen weiss, sie wird dieses Wissen stets so handhaben, als wäre nur das impfkritische Wissen wirkliches „Wissen“ im eigentlichen Sinne.

    Was nun die Metaebene – also Wissen über das Wissen – anbetrifft, glaube ich nicht, dass ich das unangesprochen liess. Es ging ausschliesslich darum, wie Kenntnis einer Sache und Selbst- bzw. Fremdeinschätzung dieser Kenntnis zusammen hängen.

    Ich stimme nur nicht mit der Idee von Dunning et al überein, Inkompetenz würde die Unfähigkeit zur Metakognition bedeuten („incompetence means that people cannot successfully complete the task of metacognition“).

    Kann sein, diese Unfähigkeit kommt *dazu* (offensichtlich sogar). Aber – at its very core – ist Inkompetenz zunächst ganz einfach die Unfähigkeit, eine bestimmte Aufgabe überhaupt zu lösen. Es scheint mir offensichtlich, dass ungenügende Beschäftigung mit der Aufgabe und ihrem Themenkreis dazu führt, dass jemandem mit den Skills natürlich auch der Maßstab fehlt. Beschäftigung mit einer Sache heisst auch immer, einen Maßstab für die Sache zu erlernen. Andersherum sind auch Leute vorstellbar, die keine Ahnung haben, wie gut sie sind, und trotzdem meisterhaft sind. Das mag zugegeben selten sein, ist aber denkbar und widerspricht der Idee, dass Inkompetenz die Unfähigkeit zur Metakognition bedeuten würde.

    1. Hallo Ina

      Bezüglich Wohlwollen: Ich bin überzeugt, dass viele Impfgegner aufrichtig an die Dinge glauben, an welche sie glauben, und sie investieren viel Zeit und Denkkapazität für das Thema. Das alleine aber – so die Hauptthese dieses Textes – garantiert nicht, dass man zu korrekten Schlüssen kommt.

      Du hast vorher den Begriff der „Dummheit“ eingeführt und den Dunning-Kruger-Effekt als „Dummheits-Effekt“ bezeichnet. Nirgendwo in der mir bekannten Literatur wird der Begriff „Dummheit“ in Verbindung mit dem Dunning-Kruger-Effekt gebracht – das habe ich vorher explizit für alle Mitlesenden erwähnt und erwähne es hier nochmals.
      Deine Definition von „Dummheit“ hat nach meinem Dafürhalten mehrere Mängel:
      – Im gängigen Verständnis, würde ich meinen, ist das Kriterium „generell vorhandene kognitive Schwäche“ die notwendige und hinreichende Bedingung für „Dummheit“.
      – Kannst du Quellen angeben, welche „Dummheit“ als „Unkenntnis, Mangel an Erfahrung, Inkompetenz etc.“ definieren?
      – Wenn du „Dummheit“ als „Unkenntnis, Mangel an Erfahrung, Inkompetenz etc.“ definierst, was bedeutet die Ergänzung „denn als Bezeichnung einer generell vorhandenen kognitiven Schwäche, die allerdings auch nicht ausgeschlossen werden soll“? Ist diese Ergänzung notwendige Bedingung oder nicht?

      Gemäss deiner Definition scheint „Dummheit“ für dich immer noch etwas mit einer „generell vorhandene[n] kognitive[n] Schwäche“ zu tun zu haben. Wenn du aber „Dummheit“ (entgegen deiner eigenen Definition) ausschliesslich als „Unkenntnis, Mangel an Erfahrung, Inkompetenz etc.“ verstanden sehen willst – warum führst du den Begriff „Dummheit“ überhaupt ein?

      Du suggerierst mit der Verwendung von „Dummheit“, dass eine Diskussion des Dunning-Kruger-Effektes eine Art Ad hominem-Angriff auf Impfgegner sei. Das ist es nicht, und im Text ist darum auch versucht, diese kognitive Verzerrung als das darzustellen, was sie ist: Ein Effekt, der uns alle betrifft. Nie greifen wir von Skeptiker Schweiz irgendjemanden mit kindischen Begriffen „dumm“ an.

      Leider habe ich den Eindruck, dass du den Dunning-Kruger-Effekt immer noch auf eine Art auslegst, die sich nicht aus der Literatur ergibt. Vereinfacht behauptet die Literatur zwei Dimensionen:
      – Objektive Fähigkeiten.
      – „Metakognitive“ Fähigkeiten.

      Letztere steigen, wenn Erstere steigen. Du fixierst dich auf die erste Dimension und ignorierst die Rolle der zweiten Dimension für die Reflexionsfähigkeit (bzw. -willen). Du sagst dazu:
      Ich stimme nur nicht mit der Idee von Dunning et al überein, Inkompetenz würde die Unfähigkeit zur Metakognition bedeuten (“incompetence means that people cannot successfully complete the task of metacognition”).

      Damit endet unsere Diskussion leider, denn diese Ergebnisse zum Dunning-Kruger-Effekt sind Empirie. Die Befunde können natürlich falsch sein – aber nicht, weil sie unserer Intuition o.ä. widersprechen.

      Lieber Gruss

  11. Bester Marko, ich unternehme einen letzten Versuch, bevor wir es dann tatsächlich vielleicht lassen sollten: Wenn Du Dunning-Kruger behauptest, implizierst Du „lack of skills“. Dass ich „lack of skills“ nonchalant „Dummheit“ genannt habe, mag eine ebensolche gewesen sein, tut aber in der Sache nichts.

    Weiter: Du behauptest also „lack of skills“. Gleichzetig behauptest Du ein langanhaltendes Engagement der Impfgegner in ihrer Sache. Das schliesst aber „lack of skills“ aus. Diese Leute haben skills. Es sind nur eben, wie ich es genannt habe: biased skills. Ist das soweit verstänlich?

    Zwischen „biased skills“ und „lack of skills“ nicht zu unterscheiden ist m.E. ein Fehler. Deswegen trifft es Dunning-Kruger nicht. Das ist, aufs Wesentliche verknappt, mein Argument.

    Alles andere ist Beiwerk und geschenkt. Setze für „Dummheit“ meinethalben „lack of skills“ oder was immer Dir passend scheint. Das ist sekundär und nur für die Verständigung erheblich. Ist die nun erzielt?

  12. Pingback: Was tun gegen Impfgegner? Jetzt sind Emotionen gefragt @ gwup | die skeptiker

  13. Ich finde Ina Effs Argumentation sehr nachvollziehbar und würde mir auch wünschen, dass du darauf eingehst und nicht weiter darauf herumreitest, dass sie das Wort Dummheit am Anfang missverständlich benutzt hat. Auch da fand ich sie schon sehr verständlich, nach ihrer Richtigstellung umso mehr. Geht es hier ums Rechthaben oder darum, für Argumente offen zu sein?

    1. Hallo Maike

      Wenn du den Austausch durchliest, sollte klar sein, warum es keine Einigkeit gibt: Im Text ist das Konzept des Dunning-Kruger-Effektes so verwendet, wie die Autoren ihn selber definieren und messen (was, wie in den Kommentaren erwähnt, vielleicht nicht maximal präzise formuliert ist, weil mir eine wohlwollende Wortwahl sehr wichtig ist). Wie genau sollte ich hier genauer auf die Einwände von Ina Eff eingehen? Was genau bedeutet es in diesem Kontext nach deinem Dafürhalten, „für Argumente offen“ zu sein? Wenn es bei so einer Detaildiskussion um bestimmte Literatur geht, worauf genau sollen die Diskutierenden eingehen, wenn nicht auf eben diese Literatur?

      Auch ist das Verwenden von „Dummheit“ eben aus mehreren Gründen ganz und gar kein belangloses Detail, wie ich ebenfalls zu erklären versucht habe.

      Gruss

  14. Pingback: Impfgegner drehen durch: immun gegen jede Vernunft @ gwup | die skeptiker

  15. Ein sinnfreies pseudowissenschaftliches Blabla. Bei Ihrem Blogeintrag merkt man direkt, dass Sie weniger naturwissenschaftlichen Background als philosophischen Background haben. Die meisten der Denkfehler machen Sie selbst. Beispiele:

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    #1 „Die Anzahl an Maserninfektionen geht stetig zurück, und dieser Rückgang ist zu einem grossen Teil durch Impfungen bedingt. Mit einer Abnahme der Maserninfektionen geht eine Abnahme der Masernkomplikationen einher.“

    Das ist offensichtlich eine unzulässige Schlussfolgerung und sogar noch falsch. Die SSPE ist wohl eine der schwersten Spätfolgen. Trotz sinkender Masernanzahl in Deutschland folge die Anzahl der SSPE Fälle diesem Trend nicht so stark. Sie machen dort Denkfehler 5 und 9. Es ist eine Korrelation von Impfquote und Masernfälle gezeigt NICHT die logische Bedingung. Eigentlich ist auch die Korrelation fragwürdig (siehe Beispiel #4)

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    #2 Grafik 2 ist wirklich Blödsinn. Sollen die Punkte Länder angeben oder Zeitpunkte oder was. Die Y-Achse ist auch nicht nachvollziehbar. Konkret sagt ein Punkt in Grafik 2.In einem Land mit x% Impfquote gibt es y Millionen Masernfälle. Wer so eine Grafik verfasst und damit Denkfehler anderer aufzuzeigen will, der ist ein Paradebeispiel für den Dunning-Kruger-Effekt (Denkfehler 3)! Bis Sie das Problem verstanden haben hat es ja einige Posts gedauert.

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    #3 Verzehrte Risikowahrnehmung. Die kann man vielen Impfskeptikern nicht vorwerfen, denn im Allgemeinen sind sich diese schon der Risiken einer Infektion bewusst. Zusätzlich ziehen Skeptiker die Impfrisiken in Betracht. Diese Risiken sind nicht genau belegbar, da es kein wirtschaftliche Interesse gibt eine umfangreiche Studien zu Folgeschäden durch Impfungen zu untersuchen. Wenn Sie die Wahl haben, bei einer Nichtimpfung während Ihres Lebens zu 1% die Masern zu bekommen und bedingt dieses Falles zu 0,05% schwere Folgen (u.A. den Tod) zu erleiden, oder sich impfen zu lassen und zu x% eine körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu erleiden, die nicht genauer spezifiziert werden kann. Was wählen Sie? Impffanatiker wie Sie haben offensichtlich eine verzehrte Risikowahrnehmung (Denkfehler 4), weil dieses Gegenrisiko vernachlässigt wird.

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    #4 Sie wollen ja mit Grafik 2 eine logische Bedingung (wie gesagt: es wäre eine Korrelation) aufzeigen. Diese Daten beruhen auf [3]. Nun schauen wir uns mal an wie die WHO diese Quote SCHÄTZT! Da wir eine einfache lineare Hochrechnung der Impfquote von einer Beobachtungsmenge (target pupulation) auf die ganze Bevölkerung. Bei MCV sind das …ta-ta: Die 1-jährigen Kinder!

    „HepB3, DTP1, DTP3, Hib3, MCV, POL3 and YF, the size of the target population is the national annual number of infants surviving their first year of life“ aus [WHO vaccine-preventable diseases: monitoring system; 2010].

    Jetzt werfen Sie den Impfskeptikern vor: „Impfgegner lehnen Argumente, welche auf Daten rekurrieren, nicht prinzipiell ab. Im Gegenteil: Tendenziell investieren Impfgegner viel Zeit in die Suche nach und die Interpretation von Daten rund um Impfungen. Das Problem ist, dass Impfgegner zu wenig systematisch und zu wenig rigoros ihre Daten selektieren.“

    Dem Fehler des „Anekdotischen Denkens“ (Denkfehler 6) unterliegen Sie selber, oder haben Sie die verwendeten Daten kritisch und systematisch untersucht? Nein! Das Datenmaterial ist nicht haltbar und die publizierte Grafik falsch! Sie glauben ungeprüft den Anekdoten der … ja wem eigentlich? Letztendlich: wohl der Pharmaindustrie.

    Schaut man mal hinter die Zahlen der WHO oder auch des RKIs und wendet vernünftige mathematische Modelle an, dann sind die meisten publizierten geschätzten Zahlen mathematisch kaum zu rechtfertigen.

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    #5 Fehler der Ankerheuristik. Streichen Sie Impfgegener mit Impffanatikern und Sie erhalten bei Anpassung der Hypothese eine ähnlich sinnvolle Argumentation:

    ### Der Mechanismus der Ankerheuristik bei Impffanatikern gründet im Umstand, dass wir alle im Allgemeinen nicht wirklich viel von Impfungen wissen, sondern diese mehr oder weniger routiniert akzeptieren. Wenn nun Individuen zum ersten Mal aktiv in Kontakt mit Informationen rund um Impfungen kommen, besteht die Möglichkeit, dass diese ersten Informationen unwissenschaftliche Impfempfehlungen beinhalten oder ausschliesslich daraus bestehen. Einerseits kann es sein, dass Freunde und Bekannte, die selber zu Impffanatikern gehören, diese Thematik bilateral ansprechen. Andererseits spielt das Internet eine zentrale Rolle: Online finden sich viele Quellen, wo faktisch falsche Behauptungen rund um Impfungen gemacht werden. ###
    Quellen dazu finde ich auch welche, z.B. dieser Blogeintrag; denn man findet zu fast allem eine Quelle!

    Sie wollen objektiv argumentieren, aber wenn man die Seite wechselt ist die Argumentation genau so schlüssig wie vorher. Insofern ist die Ausführung gehaltlos. Sie haben Ihre subjektive Meinung und lassen diese in Ihre Argumentation einfließen. Somit begehen Sie im Abschnitt zu Denkfehler 6 denselben.

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    #6 Sie schreiben: „Wenn die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher und impfkritischer Haltung also nicht bloss als Informationsdefizit gedeutet werden kann, als was dann?“

    Das ist der Höhepunkt: Impfkritiker sind also unwissenschaftlich und unaufgeklärt. Wer eine Abhandlung so einleitet, der unterliegt eindeutig dem „Anchoring“-Effekt (Denkfehler 8) und das ist auch der Grund für Ihren Bestätigungsfehler (Denkfehler 7). Sie wollen Impfskeptiker diffamieren und nennen Sie Impfgegner, die unwissenschaftlich und unaufgeklärt sind. Von dieser Hypothese wird Sie nichts und niemand abbringen, auch nicht mein Post, schade eigentlich. Ich finde die Argumentation der Impffanatikern von der WHO und der StIKo als extrem unwissenschaftlich, weil die Methoden zur Erhebung von Statistiken und Schlussfolgerungen einseitig und z.T. unwissenschaftlich sind.

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    Fazit:
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    Ziehen wir mal ein Fazit, so habe ich Ihnen selbst die Denkfehler 3-9 nachgewiesen mit denen Sie ja eigentlich die Impfskeptiker belasten wollten. Zugegeben tendiert jeder Mensch zu diesen Fehlern. Dieser Gefahr sollte man sich stets bewusst sein. Gutes wissenschaftliches Arbeiten beinhaltet immer die Überprüfung eigener Standpunkte. Leider vermisse ich dieses retrospektive Denken komplett in Ihrem Blogeintrag.

    Es fehlen die Denkfehler „Zurück zur Natur“ und „Verschwörungstheroie“. Back-To-Nature ist grundsätzlich sinnvoll. Zumindest sollte man dem Technologiewahn eingrenzen und sich auf die natürlichen Prozesse mehr verlassen. Was sich in Jahrmillionen entwickelt hat soll nun plötzlich ein Denkfehler sein. Wer das behauptet sollte bitte keine Verantwortung im öffentlichen Leben tragen; aber DIE sitzen ja überall (uaaahh… verschwör – verschwör – verschwör).

    Ich plädiere für einen Mittelweg:
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    Impfen ist richtig eingesetzt ein Segen der modernen Wissenschaft. Leider blockieren unsere aktuellen Gesellschaftsstrukturen den vernünftigen Umgang mit moderner Medizin; denn dieser wird eher von wirtschaftlichen als humanitären Interessen gelenkt. Bei unserem Gesundheitswesen ist eine Masernerkrankung sehr gut therapierbar. Sicher gibt es besonders bei vorerkrankten Patienen (diese sollten ja auch u.U. nicht geimpft werden), Säuglinge oder Erwachsene ein gewisses Risiko, aber es gibt nach Einsetzen der systematischen Impfpropaganda (sorry) gerade eine prozentuale Verschiebung der Masernfälle in dieses Risikogruppen.

    Bevor nicht unabhängige Studien zu Impfrisiken und Spätfolgen durchgeführt werden, halte ich in unserer Kultur Nichtimpfen für weniger gefährlich als Impfen. Ich kann einen Zusammenhang zwischen dem Impfen (bzw. allgemeiner demTechnikwahn in der Medizin) zu aktuellen Volkskrankheiten wie Depression, ADHS, Borderline, Essstörungen, Allergien u.s.w. weder beweisen noch widerlegen. Ich halte jedoch eine Korrelation für durchaus plausibel.

    1. Guten Tag Kairo

      Nur ein Input für jene, die möglicherweise mitlesen: Dass SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis) durch die MMR-Impfung verursacht wird, widerspricht dem, was wissenschaftlich zu diesem Zusammenhang bekannt ist. Die MMR-Impfung beugt SSPE vor:

      1. Anlar, B., Köse, G., Gürer, Y., Altunbaşak, Ş., Haspolat, S., & Okan, M. (2001). Changing Epidemiological Features of Subacute Sclerosing Panencephalitis. Infection, 29(4), 192–195. http://doi.org/10.1007/s15010-001-1115-9
      2. Bellini, W. J., Rota, J. S., Lowe, L. E., Katz, R. S., Dyken, P. R., Zaki, S. R., … Rota, P. A. (2005). Subacute Sclerosing Panencephalitis: More Cases of This Fatal Disease Are Prevented by Measles Immunization than Was Previously Recognized. Journal of Infectious Diseases, 192(10), 1686–1693. http://doi.org/10.1086/497169
      3. Campbell, H., Andrews, N., Brown, K. E., & Miller, E. (2007). Review of the effect of measles vaccination on the epidemiology of SSPE. International Journal of Epidemiology, 36(6), 1334–1348. http://doi.org/10.1093/ije/dym207
      4. Garg, D. R. K. (2008). Subacute sclerosing panencephalitis. Journal of Neurology, 255(12), 1861–1871. http://doi.org/10.1007/s00415-008-0032-6
      5. Gutierrez, J., Issacson, R. S., & Koppel, B. S. (2010). Subacute sclerosing panencephalitis: an update. Developmental Medicine & Child Neurology, 52(10), 901–907. http://doi.org/10.1111/j.1469-8749.2010.03717.x
      6. Mäkelä, A., Nuorti, J. P., & Peltola, H. (2002). Neurologic Disorders After Measles-Mumps-Rubella Vaccination. Pediatrics, 110(5), 957–963. http://doi.org/10.1542/peds.110.5.957
      7. Miller, C., Andrews, N., Rush, M., Munro, H., Jin, L., & Miller, E. (2004). The epidemiology of subacute sclerosing panencephalitis in England and Wales 1990–2002. Archives of Disease in Childhood, 89(12), 1145–1148. http://doi.org/10.1136/adc.2003.038489
      8. Miller, E. (2002). MMR Vaccine: Review of Benefits and Risks. Journal of Infection, 44(1), 1–6. http://doi.org/10.1053/jinf.2001.0930
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  18. Herr Kovic

    Ich kann nicht erkennen, in welchem Post jemand erwähnt haben soll, dass die MMR Impfung SSPE verursachen soll. Sie antworten somit auf eine Behauptung, die hier niemand gemacht hat; und das mit erstaunlichem Aufwand (8 Referenzen). Andererseits sind Ihnen die anderen, zahlreichen Punkte keine Antwort wert. Das riecht mir doch stark nach Straw-Man.

    1. Ich wiederhole mich gerne: Ein Input für jene, die möglicherweise mitlesen: Dass SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis) durch die MMR-Impfung verursacht wird, widerspricht dem, was wissenschaftlich zu diesem Zusammenhang bekannt ist. Die MMR-Impfung beugt SSPE vor.

      Zweifel daran zu sähen, was für ein Zusammenhang zwischen der Masernimpfung und SSPE besteht, gehört zum Repertoire von Impfgegnern, und das verwirrt bisweilen Menschen, die einfach wissen möchten, was es aus evidenzbasierter Sicht damit auf sich hat.

      Über die Güte der restlichen Argumente Kairos möge sich eine jede und ein jeder selber ein Urteil bilden.

  19. Auch ich wiederhole mich gerne: es hat niemand geschrieben, dass die MMR Impfung SSPE verursacht. Sie argumentieren deswegen gegen Dinge, die nicht gesagt wurde.

    Es wurde gesagt, dass (in Deutschland) SSPE Rate nicht im selben Masse gesunken sei, wie die Masernrate. Ob das stimmt oder nicht weiss ich nicht, aber dass war das Argument, dass gemacht wurde.

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  23. Die Impfgegner-Argumente sind geradezu zynisch: Natürlich lassen sich mit hygienischen Verbesserungen allgemein viele Krankheiten vermeiden, aber in Drittweltländern sind diese Verbesserungen wesentlich schwieriger und teurer herbeizuführen, als die paar Rappen, die eine zuverlässig schützende Impfung kostet. Und Entwicklungsschübe-Blabla: Habe noch nie gehört, dass z.B. Tetanus zu einem anderen „Entwicklungsschub“ als zu Amputationen und möglicherweise Tod geführt hätte.
    Ich selber hatte/habe gerade eine sehr ausgeprägte Gürtelrose (wie man wissen sollte ausgelöst durch dasselbe Virus, welches bei der Erstinfektion Windpocken auslöst. Der Virus bleibt einem dann ein Leben lang erhalten und kann jederzeit und beliebig oft Gürtelrose auslösen).
    Ausser starken Schmerzen, schlaflosen Nächten (auch ganz ohne Schmerzen; wegen einer unerklärlichen aber ausgeprägten innerlichen Unruhe), Halluzinationen (ob von Medis oder der Krankheit: who knows, bzw. cares in dem Moment), Nervenschmerzen und „Elektroblitzen“ ins Oberstübchen, sofortige Übelkeit bei Sonnenbestrahlung, starken Schmerzen beim Wasserlösen usw. merke ich nichts von einem „Entwicklungsschub“. Wäre froh gewesen, als Kind geimpft worden zu sein, jedenfalls würde ich meine Kinder sofort impfen, denn diesen „Crap“ braucht kein Mensch im Körper!

  24. Ohne auf vorherige Debatten gross einzugehen, wage ich es doch meine Meiung Kund zu tun (ja, ich bin nicht der Ansicht, dass hier bereits zu viele Meinungen herumschwirren).
    Ich persönlich halte Impfen selber für Sinnvoll, und finde es schade dass mehr philosophisch/ psychologisch als faktenbasiert argumentiert wurde. (Zugegeben- Quellen prüfte ich keine).
    Impfen erachte ich insofern als Sinnvoll, weil die Menschheit nicht aus einer Person besteht und Impfungen Mikroorganismen nicht direkt unschädlich machen. Die Keime können also zum beispiel an den Fingern lauern, mit welchem dem halbjährigen Kind (Gefühlsbonus 😀 ) die Windeln gewechselt werden. Wenn durch die Impfungen aber nun 20 Menschen weniger die Keime durch die Gegend husten, ist die Wahrscheinlichkeit geringer dass ich den Mikroorganismus an meine Finger bekomme und das Kind damit infiziere. Immunisierung ist somit betrachtet auch ein indirekter Schutz vor Personen, die nicht geimpft werden können wie Kleinkinder und Immunschgeschwächte Personen.
    Desweiteren reicht es mir zu wissen, was allein Tetanus, ein Umweltvirus, mit einem Menschen machen kann wenn es mal ins Blut gelangt. (Verbreitung über die Nervenbahnen -> schlechter fürs Immunsystem und sonstige Therapien zugänglich; -> Verkrampfung der Muskulatur -> Atemlähmung durch unkontrollierte Muskelkontraktion bei vollem Bewusstsein)

    Da durch Impfungen die Möglichkeit besteht, Kinderkrankheiten und andere Infekte deren Symptombekämpfung kostspielig und Behandlung nicht immer erfolgreich sind präventiv zu behandeln, erachte ich es für sinnvoller zu Impfen und Stimme in einem Punkt dem Essay zu- würden impfgegner die ausgehende Gefahr der Krankheiten kennen und wüssten wie Impfungen funktionieren (Totimpfstoff z.B.), wäre die Impfbereitschaft vermutlich höher.

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