Multilevel-Marketing, Netzwerk-Marketing und Co.: Wirtschaftliche Scharlatanerie

Marko KovicBlog4 Comments

Die voraussichtliche Bildungsministerin unter dem US-amerikanischen Präsidenten Donald J. Trump wird Betsy DeVos, eine Milliardärin mit umstittener Fachkompetenz im Bereich der öffentlichen Bildung1. Nebst der Frage nach ihren Qualitfikationen für das von ihr angestrebte Amt fällt Betsy DeVos mit einem bestimmten biografischen Detail auf: Ihr Schwiegervater, Richard DeVos, ist Gründer des Unternehmens „Amway“, und ihr Ehemann, Richard „Dick“ Marvin DeVos Jr. ist ehemaliger CEO von Amway2.

Amway ist ein Unternehmen, welches jählich Milliardenumsätze mit einem sogenannten „Multilevel-Marketing“-Geschäftsmodell erwirtschaftet. Multilevel-Marketing wird im deutschsprachigen Raum bisweilen auch als Netzwerk-Marketing oder Network-Marketing beschrieben. Was genau hat es mit Multilevel-Marketing auf sich?

Der Begriff Multilevel-Marketing klingt zunächst nach einem langweiligen Fachbegriff aus der Welt der Betriebstwirtschaft. In Tat und Wahrheit ist Multilevel-Marketing aber nichts anderes als wirtschaftliche Scharlatanerie: Ein Schneeballsystem, das unmöglich funktionieren kann –  ausser, man gehört zu der Geschäftsleitung eines Multilevel-Marketing-Unternehmens und labt sich am Elend des Multilevel-Marketing-Fussvolkes.

Die Logik von Multilevel-Marketing

Unternehmen, welche Multilevel-Marketing betreiben, sind keine Seltenheit. Es gibt in der Schweiz einen Berufsverband von Multilevel-Marketing-Uternehmen, unter dessen Dach sich einige grössere derartige Organisationen zusammengefunden haben, darunter auch Amway3.

Multilevel-Marketing-Unternehmen funktionieren in der Regel sehr ähnlich: Menschen werden mit dem Versprechen angelockt, auf einfache Art viel Geld machen zu können, und sie werden bisweilen klar belogen, indem das Angebot als unternehmerische Selbstständigkeit angepriesen wird. Nicht zuletzt Amway wirbt auf diese Art in der Schweiz. So betont Amway beispielsweise, dass Amway ein „attraktives Einkommenspotenzial“4 darstelle:

Amway verspricht „Attraktives Einkommenspotenzial“.

Amway ist auch sehr bemüht darum, zu betonen, wie wenig Risiko vorhanden sei bei Amway5:

Amway verspricht auch, dass ein Einstieg mit „geringem Risiko“ und „geringen Kosten“ verbunden ist.

Im eigenen Marketing behauptet Amway, man würde bei einem Einstieg in Amway „ein eigenes Geschäft“ beginnen. Das ist eine Lüge, die juristisch vermutlich gerade noch legal ist. Ein „eigenes Geschäft“ bei Amway bedeutet das genaue Gegenteil einer unternehmerischen Selbstständigkeit – das Geschäftsmodell von Amway und anderen Multilevel-Networkting-Unternehmen ist, dass man als Multilevel-Verkäufer alleine das volle Risiko trägt, dabei aber in einem permanenten Abhängigkeitsverhältnis zum Multilevel-Unternehmen steht.

Multilevel-Marketing funktioniert im Grunde einfach:

  • Als Multilevel-Marketer verpflichtet man sich, regelmässig bestimmte Mengen an Produkten (oftmals Kosmetika oder Nahrungsmittel) von dem betroffenen Multilevel-Marketing-Unternehmen zu kaufen. Diese Produkte kann man dann selber direkt an Kunden verkaufen und Einnahmen generieren.
  • De facto ist es aber unmöglich, über den Verkauf der meistens trivialen Produkte Gewinne zu erwirtschaften (Die Produkte sind trivial im Sinne von Produkten in Marktsegmenten, die ohnehin übersättigt sind – wie eben Kosmetika und Nahrungsmittel).
  • Die einzige realistische Möglichkeit, Gewinn zu erwirtschaften, besteht darin, neue Mitglieder für das Multilevel-Marketing-Unternehmen zu rekrutieren.
  • Wenn die so rekrutierten Mitglieder selber regelmässig Produkte bei dem betroffenen Multilevel-Marketing-Unternehmen kaufen, dann erhält die Person, welche diese ihr unterstellten Personen rekrutiert hat, einen Anteil.

Der zentrale Witz bei Multilvel-Marketing-Unternehmen ist also, dass jede Person, welche im Multilevel-Verkauf aktiv ist, zwangsläufig neue Personen rekrutieren muss, um realistische Aussicht auf Einnahmen zu haben.

Multilevel-Marketing vs. klassische Schneeballsysteme

An dieser Stelle drängt sich eine Zwischenfrage auf: Was ist denn genau der Unterschied zwischen Multilevel-Marketing und einem klassichen Schneeballsystem? Ganz einfach: Alle Multilevel-Marketing-Unternehmen sind Schneeballsysteme, aber nicht alle Schneeballsysteme sind Multilevel-Marketing-Unternehmen.

Multilevel Marketing ist eine Teilmenge von Schneeballsystemen.

Die zentrale Logik von Multilevel-Marketing und Schneeballsystemen ist dieselbe. Multilevel-Marketing ist im Grunde einfach ein Schneeballsystem 2.0, um der direkten Illegalität auszuweichen:

  • Schneeballsysteme zeichnen sich dadurch aus, dass die einzige Aktivität das Rekrutieren von Mitgliedern ist.
  • Multilevel-Marketing zeichnet sich dadurch aus, dass das Rekrutieren neuer Mitglieder formell nicht die einzige Aktivität ist – es gibt real existierende Produkte, welche man regelmässig kaufen muss, und, welche man zu verkaufen versucht.

Multilevel-Marketing ist also nichts weiter als ein Schneeball-System mit einem Produkt als Feigenblatt.

Warum Multilevel-Marketing nicht funktionieren kann

Multilevel-Marketing bedeutet also, dass man zwangsläufig neue Mitglieder rekrutieren muss, um Einnahmen zu generieren. Warum genau soll das ein Problem sein? Ist denn nicht jedes Unternehmen im Grunde ein solches System, wo die Chefin oder der Chef das obere Management besetzt, das obere Management das mittlere, das mittlere Management das untere, und das untere Management die restlichen Mitarbeitenden? Nein. Warum, wird klar, wenn ein sehr vereinfachtes Beispiel für Multilevel-Marketing bis zu Ende gedacht wird.

Angenommen, dass es in einem Multilevel-Marketing-Unternehmen nötig ist, über die gesamte Karriere hinweg nur 10 neue Multilevel-Marketing-Mitarbeiter zu rekrutieren, um bis zum Karriere-Ende profitbel zu sein. Das ist ein komplett fiktionales Beispiel, weil die Anforderungen in der Realität viel höher sind. Aber dennoch, bleiben wir bei diesem maximal wohlwollenden Beispiel.

Die erste Person, Person A, welche direkt in den Produktevertrieb einsteigt, muss also über ihre gesamte Karriere hinweg nur 10 Personen rekrutieren. Das dürfte, ganz realistisch, kein grosses Problem sein.

Person A hat also erfolgreich 10 neue Mitarbeiter rekrutiert. Wenn nun jede und jeder dieser neuen Mitarbeitenden selber nochmals 10 Personen rekrutieren muss, dann müssen auf der dritten Ebene bereits 100 neue Mitarbeitende rekrutiert werden. Auch das ist, realistischerweise, sehr gut bewältigbar – nur schon in der Schweiz, einem kleinen Land, leben über 8 Millionen Menschen.

Nun können wir aber sehr leicht weiterberechnen, wie viele Menschen ein paar ebenen weiter in diesem Multilevel-Rekrutierungs-Schema rekrutiert werden müssen. Zum Beispiel auf Ebene 11:

Rekrutierungs-EbeneAnzahl rekrutierter Personen
10
210
3100
41'000
510'000
6100'000
71'000'000
810'000'000
9100'000'000
101'000'000'000
1110'000'000'000

Damit das Multilevel-Marketing-Schema funktionieren kann, müssen auf Ebene 12 bereits 10’000’000’000 – sprich 10 Milliarden – Menschen rekrutiert werden. Blöd nur, dass das ein paar Milliarden mehr Menschen sind, als auf der Welt existieren.

Das obige Rechenbeispiel ist wohlwollend und rein hypothetisch. Die Realität von Multilevel-Marketing ist aber kein lustiges Rechenbeispiel – so gut wie alle Menschen, welche in Multilevel-Marketing einsteigen, machen Verluste.6 7 8 9 10

Fazit: Schneeballsysteme mit einem Hauch Bullshit

Multilevel Marketing funktioniert nicht, weil es nicht funktionieren kann. Multilevel-Marketing ist schlicht eine Variante von Schneeballsystemen, bei denen nur eine kleine Minderheit der Beteiligten profitiert. Die wesentlichen Profiteure bei Multilevel-Marketing sind die Geschäftsführenden der Multilevel-Marketing-Unternehmen. Ihr Ziel ist es, ganz bewusst Leute für ihre Schneeballsysteme anzulocken, indem sie schnelles Geld ohne Risiko versprechen. Das ist wirtschaftliche Scharlatanerie.

Es ist aber auch möglich, dass es Akteure im Multilevel-Marketing Führungsbereich gibt, welche nicht direkt lügen. Einigen solchen Akteure dürfte es nämlich egal sein, ob die Versprechen, mit denen sie Leute anlocken, wahr sind oder nicht, solange für sie selber das Geschäftsmodell funktioniert. Bestenfalls sind die Multilevel-Marketing-Drahtzieher also Bullshitter11.

 

Autor

References

  1. Turner, Cory. 2017. „School Vouchers, Oligarchy And Grizzlies: Highlights From The DeVos Hearing“. NPR. http://www.npr.org/sections/ed/2017/01/18/510417234/the-devos-hearing-in-their-own-words
  2. Stanton, Zack. 2017. „How Betsy DeVos Used God and Amway to Take Over Michigan Politics“. Politico. http://www.politico.com/magazine/story/2017/01/betsy-dick-devos-family-amway-michigan-politics-religion-214631
  3. „Firmenverzeichnis (alphabetisch).“ Schweizerischer Verband Network Marketing. Abgerufen am 23. Januar 2017. http://www.svnm.ch/de/Mitgliedsfirmen/Firmenverzeichnis.27.html
  4. Abgerufen am 23. Januar 2017: http://www.amway.ch/start-a-business-new/your-future-start-now#1536191=6
  5. Abgerufen am 23. Januar 2017: http://www.amway.ch/start-a-business-new
  6. Taylor, Jon M. 2011. “The Case (for and) against Multi-Level Marketing.” Consumer Awareness Institute. http://www.mlmwatch.org/01General/taylor.pdf
  7. Brooks, Douglas. 2014. „The Pyramid Scheme Industry: Examining Some Legal And Economic Aspects Of Multi-Level Marketing“ Nasdaq.com. http://www.nasdaq.com/article/the-pyramid-scheme-industry-examining-some-legal-and-economic-aspects-of-multi-level-marketing-cm340786
  8. Hicken, Melanie. 2013. „The money behind Herbalife, Mary Kay and others“ CNN. http://money.cnn.com/2013/01/09/pf/multilevel-marketing-industry/
  9. Barrett, Stephen. 2014. „The Mirage of Multilevel Marketing“. Quackwatch. https://www.quackwatch.org/01QuackeryRelatedTopics/mlm.html
  10. „MLM Direct Selling Statistics“. 2015. Statistics Brain. http://www.statisticbrain.com/mlm-direct-selling-statistics/
  11. Frankfurt, Harry G. On Bullshit. Princeton University Press, 2005.

4 Comments on “Multilevel-Marketing, Netzwerk-Marketing und Co.: Wirtschaftliche Scharlatanerie”

  1. Ehrlich gesagt die MLM’er sind nicht viel besser als demente Alte, die auf einen Enkeltrick-Betrüger reingefallen sind. Nur sind die MLM’er bei vollem Bewusstsein.

  2. Sehr geehrte Skeptiker und Skeptikerinnen

    Es ist immer wieder erstaunlich was Leute alles erzählen oder zu wissen meinen. Ich habe schon vieles gelesen gehört oder erlebt, aber MLM als eine Teilmenge von Schneeballsystemen zu bezeichnen ist sowohl das Witzigste aber auch die sachlich unkorekteste Grafik, die ich jemals gesehen habe. Nun MLM ist Legal! Schneballsysteme nicht! Also kann MLM unmöglich Teilmenge der Schneballsysteme sein. Die Firma Amway ist knapp 60 Jahre alt, wenn diese Firma Illegal wäre gäbe es sie nicht mehr. Meinen Sie nicht? Um es klar auszudeutschen ist es empfehlungswirtschaft. Sie empfehlen Produkte weiter und wenn sie gekauft werden kriege ich als Belohnung ein paar Prozente. ( Nur weil es das in der Migros nicht gibt ist es noch nicht illegal..) .

    Und an alle die hier ihren nahmen nicht angeben. Ihr kommt bestimmt draus. 😉

  3. Ich gratuliere allen Skeptikern! Die Tatsache, dass einige MLM Firmen seit mehr als 40 Jahren existieren und immer mehr Umsatz haben, stört das Realitätgefühl von niemanden… Ihr seid echt witzig.

  4. Amway? Ohne Witz? Immer noch Amway als Schneeballsystem beschuldigen? Das obwohl das Unternehmen seit bald 100 Jahren, Weltweit vertreten ist? Seit doch bitte nicht albern. Ich kann den Skeptikern nur empfehlen sich auf neuere Unternehmen zu stürzen und des Schneeballsystems zu beschuldigen. Amway existiert seit bald 100 Jahre Weltweit. Denkt Ihr wirklich dass alle Autoritäten Weltweit zukucken?

    Zum Networkmarketing.
    Es ist sehr wohl zu vergleichen mit einem eigenen Business. Tust Du nix, verdienst Du nix. Keine Kunden = kein Verkauf = kein Umsatz = Du verhungerst. Du hast keinen Boss der Dir sagt was Du tun musst. Entweder nimmst Du denn Finger raus oder Du verdienst keinen Cent. Du magst einen guten oder schlechten Sponsor haben aber schlussendlich liegts immer und alleine an DICH. Es ist immer DEIN Erfolg und DEIN Misserfolg im Networkmarketing.

    Wie ist es denn, wenn Du ein eigenes Unternehmen gründest? Ist das denn besser als Amway und ALLE andere Networkmarketing Unternehmen? Zu erst musst Du X Tausende von Euro investieren (ca. 20 – 100K) um überhaut zu starten. Im Networkmarketing kaufst Du Dir einen starter Packet für vielleicht 100 – 200 Euro. Wo ist denn da die Relation? Nicht mal Franchising kann mithalten. Nix kostet so wenig wie Networkmarketing.

    Abnahmepflicht? Wo? Bei Amway? Bist Du sicher? Ich war da Kunde früher und hate KEINE ABNAHMEPFLICHT. Hat Dich ein Konkurrent bezahlt um solche Lügen zu verbreiten? Nimmt mich wunder welches Herkömmliche Unternehmen Dich dazu gestiftet hat… aber ich empfehle diese wechseln auch zu Networkmarketing weil es günstiger ist als herkömmliches Marketing.

    Ja, sogar das Marketing ist besser im Networkmarketing. Es ist voller Direktvertrieb. Keine Zwischenstufe von Händler zu Händler, die das Produkt immer teurer machen… was eigentlich ein Schneeballsystem ist… ja genau… Produkt teurer machen = SCHNEEBALLSYSTEM und das passiert nie im Direktvertrieb.

    Dann zur Pyramiden- Organisation. Hast Du einen Boss, der mehr verdient als Du? Du kannst Ihn nicht überholen vom Verdienst her? Hat dieser Boss ebenfalls einen Boss der mehr verdient usw. So… wer ist in einer Pyramide? Du oder der Networker? Im Networkmarketing kannst Du 10 Jahre später beginnen als ich. Wenn Du besser bist als ich, VERDIENST DU MEHR als ich.

    Networkmarketing ist nicht perfekt… aber es ist einfach besser als alles andere.

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